Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
Vom Netzwerk:
Gegend auch so?«
    »Nein, Komtesse, wir haben viel Wald und See, die sogenannte Mecklenburgische Seenplatte.«
    »Nun, das ist auch gut. Mecklenburg, wie mir die Berchtesgadens erst neulich versichert haben, hat auch seine Romantik.«
    »Sehr warr. Habe gelesen Stromtid und habe gelesen Franzosentid…«
    »Und dann glaub’ ich auch zu wissen«, fuhr Armgard fort, »daß Sie Rheinsberg ganz in der Nähe haben. Ist es richtig? Und kennen Sie’s? Es soll so viel Interessantes bieten. Ich erinnere mich seiner aus meinen Kindertagen her, trotzdem wir damals in London lebten. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Denn es war die Zeit, wo das Carlylesche Buch über Friedrich den Großen immer noch in Mode war und wo’s zum guten Ton gehörte, sich nicht bloß um die Terrasse von Sanssouci zu kümmern, sondern auch um Rheinsberg und den Orden de la générosité. Lebt das alles noch da? Spricht das Volk noch davon?«
    »Nein, Komtesse, das ist alles fort. Und überhaupt, von dem großen König spricht im Rheinsbergischen niemand mehr, was auch kaum anders sein kann. Der große König war als Kronprinz nur kurze Zeit da, sein Bruder Heinrich aber fünfzig Jahre. Und so hat die Prinz-Heinrich-Zeit beklagenswerterweise die Kronprinzenzeit ganz erdrückt. Aber beklagenswert doch nicht in allem. Denn Prinz Heinrich war auch bedeutend und vor allem sehr kritisch. Was doch immer ein Vorzug ist.«
    »Sehr warr, sehr warr«, unterbrach hier Wrschowitz.
    »Er war sehr kritisch«, wiederholte Woldemar. »Namentlich auch gegen seinen Bruder, den König. Und die Malkontenten, deren es auch damals schon die Hülle und Fülle gab, waren beständig um ihn herum. Und dabei kommt immer was heraus.«
    »Sehr warr, sehr warr…«
    »Denn zufriedene Hofleute sind allemal öd und langweilig, aber die Frondeurs, wenn die den Mund auftun, da kann man was hören, da tut sich einem was auf.«
    »Gewiß«, sagte Armgard. »Aber trotzdem, Herr von Stechlin, ich kann das Frondieren nicht leiden. Frondeur ist doch immer nur der gewohnheitsmäßige Unzufriedene, und wer immer unzufrieden ist, der taugt nichts. Immer-Unzufriedene sind dünkelhaft und oft boshaft dazu, und während sie sich über andre lustig machen, lassen sie selber viel zu wünschen übrig.«
    »Sehr warr, sehr warr, gnädigste Komtesse«, verbeugte sich Wrschowitz. »Aber, wollen verzeihn, Komtesse, wenn ich trotzdem bin für Frondeur. Frondeur ist Krittikk, und wo Guttes sein will, muß sein Krittikk. Deutsche Kunst viel Krittikk. Erst muß sein Kunst, gewiß, gewiß, aber gleich danach muß sein Krittikk. Krittikk ist wie große Revolution. Kopf ab aus Prinzipp. Kunst muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is Kopf ab.«
    Alles schwieg, so daß dem Grafen nichts übrigblieb, als etwas verspätet seine halbe Zustimmung auszudrücken. Armgard ihrerseits beeilte sich, auf Rheinberg zurückzukommen, das ihr, trotz des fatalen Zwischenfalls mit »Kopf ab«, im Vergleich zu vielleicht wiederkehrenden Musikgesprächen immer noch als wenigstens ein Nothafen erschien.
    »Ich glaube«, sagte sie, »neben manchem andern auch mal von der Frauenfeindschaft des Prinzen gehört zu haben. Er soll - irre ich mich, so werden Sie mich korrigieren - ein sogenannter Misogyne gewesen sein. Etwas durchaus Krankhaftes in meinen Augen oder doch mindestens etwas sehr Sonderbares.«
    »Sehr sonderbarr«, sagte Wrschowitz, während sich, unter huldigendem Hinblick auf Armgard, sein Gesicht wie verklärte.
    »Wie gut, lieber Wrschowitz«, fuhr Armgard fort, »daß Sie, mein Wort bestätigend, für uns arme Frauen und Mädchen eintreten. Es gibt immer noch Ritter, und wir sind ihrer so sehr benötigt. Denn wie mir Melusine erzählt hat, sind die Weiberfeinde sogar stolz darauf, Weiberfeinde zu sein, und behandeln ihr Denken und Tun als eine höhere Lebensform. Kennen Sie solche Leute, Herr von Stechlin? Und wenn Sie solche Leute kennen, wie denken Sie darüber?«
    »Ich betrachte sie zunächst als Unglückliche.«
    »Das ist recht.«
    »Und zum zweiten als Kranke. Der Prinz, wie Komtesse schon ganz richtig ausgesprochen haben, war auch ein solcher Kranker.«
    »Und wie äußert sich das? Oder ist es überhaupt nicht möglich, über das Thema zu sprechen?«
    »Nicht ganz leicht, Komtesse. Doch in Gegenwart des Herrn Grafen und nicht zu vergessen auch in Gegenwart von Doktor Wrschowitz, der so schön und ritterlich gegen die Misogynität Partei genommen, unter solchem Beistande will ich es doch

Weitere Kostenlose Bücher