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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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wagen.«
    »Nun, das freut mich. Denn ich brenne vor Neugier.«
    »Und will auch nicht länger ängstlich um die Sache herumgehen. Unser Rheinsberger Prinz war ein richtiger Prinz aus dem vorigen Jahrhundert. Die jetzigen sind Menschen; die damaligen waren nur Prinzen. Eine der Passionen unsers Rheinsberger Prinzen - wenn man will, in einer Art Gegensatz von dem, was schon gesagt wurde - war eine geheimnisvolle Vorliebe für jungfräuliche Tote, besonders Bräute. Wenn eine Braut im Rheinsbergischen, am liebsten auf dem Lande, gestorben war, so lud er sich zu dem Begräbnis zu Gast. Und eh der Geistliche noch da sein konnte (den vermied er), erschien er und stellte sich an das Fußende des Sarges und starrte die Tote an. Aber sie mußte geschminkt sein und aussehen wie das Leben.«
    »Aber das ist ja schrecklich«, brach es beinahe leidenschaftlich aus Armgard hervor. »Ich mag diesen Prinzen nicht und seine ganze Fronde nicht. Denn die müssen ebenso gewesen sein. Das ist ja Blasphemie, das ist ja Gräberschändung, - ich muß das Wort aussprechen, weil ich so empört bin und nicht anders kann.«
    Der alte Graf sah die Tochter an, und ein Freudenstrahl umleuchtete sein gutes altes Gesicht. Auch Wrschowitz empfand so was von unbedingter Huldigung, bezwang sich aber und sah, statt auf Armgard, auf das Bild der Gräfinmutter, das von der Wand niederblickte.
    Nur Woldemar blieb ruhig und sagte: »Komtesse, Sie gehen vielleicht zu weit. Wissen Sie, was in der Seele des Prinzen vorgegangen ist? Es kann etwas Infernales gewesen sein, aber auch etwas ganz andres. Wir wissen es nicht. Und weil er nebenher unbedingt große Züge hatte, so bin ich dafür, ihm das in Rechnung zu stellen.«
    »Bravo, Stechlin«, sagte der alte Graf. »Ich war erst Armgards Meinung. Aber Sie haben recht, wir wissen es nicht. Und so viel weiß ich noch von der Juristerei her, in der ich, wohl oder übel, eine Gastrolle gab, daß man in zweifelhaften Fällen in favorem entscheiden muß. Übrigens geht eben die Klingel. An bester Stelle wird ein Gespräch immer unterbrochen. Es wird Melusine sein. Und so sehr ich gewünscht hätte, sie wäre von Anfang an mit dabei gewesen, wenn sie jetzt so mit einem Male dazwischenfährt, ist selbst Melusine eine Störung.«
    Es war wirklich Melusine. Sie trat, ohne draußen abgelegt zu haben, ins Zimmer, warf das schottische Cape, das sie trug, in eine Sofaecke und schritt, während sie noch den Hut aus dem Haare nestelte, bis an den Tisch, um hier zunächst den Vater, dann aber die beiden andern Herren zu begrüßen. »Ich seh’ euch so verlegen, woraus ich schließe, daß eben etwas Gefährliches gesagt worden ist. Also etwas über mich.«
    »Aber Melusine, wie eitel.«
    »Nun, dann also nicht über mich. Aber über wen? Das wenigstens will ich wissen. Von wem war die Rede?«
    »Vom Prinzen Heinrich. Aber von dem ganz alten, der schon fast hundert Jahre tot ist.«
    »Da konntet ihr auch was Besseres tun.«
    »Wenn du wüßtest, was uns Stechlin von ihm erzählt hat, und daß er - nicht Stechlin, aber der Prinz - ein Misogyne war, so würdest du vielleicht anders sprechen.«
    »Misogyne. Das ändert freilich die Sache. Ja, lieber Stechlin, da kann ich Ihnen nicht helfen, davon muß ich auch noch hören. Und wenn Sie mir’s abschlagen, so wenigstens was Gleichwertiges.«
    »Gräfin Melusine, was Gleichwertiges gibt es nicht.«
    »Das ist gut, sehr gut, weil es so wahr ist. Aber dann bitt’ ich um etwas zweiten Ranges. Ich sehe, daß Sie von Ihrem Ausfluge erzählt haben, von Ihrem Papa, von Schloß Stechlin selbst oder von Ihrem Dorf und Ihrer Gegend. Und davon möcht’ ich auch hören, wenn es auch freilich nicht an das andre heranreicht.«
    »Ach, Gräfin, Sie wissen nicht, wie bescheiden es mit unserm Stechliner Erdenwinkel bestellt ist. Wir haben da, von einem Pastor abgesehen, der beinah Sozialdemokrat ist, und des weiteren von einem Oberförster abgesehen, der eine Prinzessin, eine Ippe-Büchsenstein, geheiratet hat…«
    »Aber das ist ja alles großartig…«
    »Wir haben da, von diesen zwei Sehenswürdigkeiten abgesehen, eigentlich nur noch den ›Stechlin‹. Der ginge vielleicht, über den ließe sich vielleicht etwas sagen.«
    »Den ›Stechlin‹? Was ist das? Ich bin so glücklich zu wissen« (und sie machte verbindlich eine Handbewegung auf Woldemar zu), »ich bin so glücklich, zu wissen, daß es Stechline gibt. Aber der Stechlin! Was ist der Stechlin?«
    »Das ist ein See.«
    »Ein See. Das

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