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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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hatte mittlerweile Platz genommen, entschuldigte sich, mit der unglücklichen Stellage beschwerlich fallen zu müssen, und bat die beiden Herren, sich neben ihm niederzulassen, während Armgard, dem Vater gegenüber, an der andern Schmalseite des Tisches saß. Der alte Graf nahm seine Tasse Tee, schob den Cognac, »des Tees beßren Teil«, mit einem humoristischen Seufzer beiseite und sagte, während er sich links zu Wrschowitz wandte: »Wenn ich recht gehört habe - so ein bißchen von musikalischem Ohr ist mir geblieben -, so war es Chopin, was Armgard zu Beginn der Stunde spielte…«
    Wrschowitz verneigte sich.
    »Chopin, für den ich eine Vorliebe habe, wie für alle Polen, vorausgesetzt, daß sie Musikanten oder Dichter oder auch Wissenschaftsmenschen sind. Als Politiker kann ich mich mit ihnen nicht befreunden. Aber vielleicht nur deshalb nicht, weil ich Deutscher und sogar Preuße bin.«
    »Sehr warr, sehr warr«, sagte Wrschowitz, mehr gesinnungstüchtig als artig.
    »Ich darf sagen, daß ich für polnische Musiker, von meinen frühesten Leutnantstagen an, eine schwärmerische Vorliebe gehabt habe. Da gab es unter anderm eine Polonaise von Oginski, die damals so regelmäßig und mit so viel Passion gespielt wurde wie später der ›Erlkönig‹ oder die ›Glocken von Speier‹. Es war auch die Zeit vom ›Alten Feldherrn‹ und von ›Denkst du daran, mein tapferer Lagienka‹.«
    »Jawohl, Herr Graff, eine schlechte Zeit. Und warr mir immerdarr eine besondere Lust zu sehen, wie das Sentimentalle wieder fällt. Immer merr, immer merr. Ich hasse das Sentimentalle de tout mon coeur.«
    »Worin ich«, sagte Woldemar, »Herrn Doktor Wrschowitz durchaus zustimme. Wir haben in der Poesie genau dasselbe. Da gab es auch dergleichen, und ich bekenne, daß ich als Knabe für solche Sentimentalitäten geschwärmt habe. Meine besondere Schwärmerei war ›König Renés Tochter‹ von Henrik Hertz, einem jungen Kopenhagener, wenn ich nicht irre…«
    Wrschowitz verfärbte sich, was Woldemar, als er es wahrnahm, zu sofortigem raschen Einlenken bestimmte. »… König Renés Tochter, ein lyrisches Drama. Aber schon seit lange wieder vergessen. Wir stehen jetzt im Zeichen von Tolstoi und der Kreutzersonate.«
    »Sehr warr, sehr warr«, sagte der rasch wieder beruhigte Wrschowitz und nahm nur noch Veranlassung, energisch gegen die Mischung von Kunst und Sektierertum zu protestieren.
    Woldemar, großer Tolstojschwärmer, wollte für den russischen Grafen eine Lanze brechen, aber Armgard, die, wenn derartige Themata berührt wurden, der Salonfähigkeit ihres Freundes Wrschowitz arg mißtraute, war sofort aufrichtig hemüht, das Gespräch auf harmlosere Gebiete hinüberzuspielen. Als ein solches friedeverheißendes Gebiet erschien ihr in diesem Augenblicke ganz eminent die Grafschaft Ruppin, aus deren abgelegenster Nordostecke Woldemar eben wieder eingetroffen war, und so sprach sie denn gegen diesen den Wunsch aus, ihn über seinen jüngsten Ausflug einen kurzen Bericht erstatten zu sehen. »Ich weiß wohl, daß ich meiner Schwester Melusine (die voll Neugier und Verlangen ist, auch davon zu hören) einen schlechten Dienst damit leiste; Herr von Stechlin wird es aber nicht verschmähen, wenn meine Schwester erst wieder da ist, darauf zurückzukommen. Es braucht ja, wenn man plaudert, nicht alles absolut neu zu sein. Man darf sich wiederholen. Papa hat auch einzelnes, das er öfter erzählt.«
    »Einzelnes?« lachte der alte Graf, »meine Tochter Armgard meint ›vieles‹.«
    »Nein, Papa, ich meine einzelnes. Da gibt es denn doch ganz andre, zum Beispiel unser guter Baron. Und die Baronin sieht auch immer weg, wenn er anfängt. Aber lassen wir den Baron und seine Geschichten, und hören wir lieber von Herrn von Stechlins Ausfluge. Doktor Wrschowitz teilt gewiß meinen Geschmack.«
    »Teile vollkommen.«
    »Also, Herr von Stechlin«, fuhr Armgard fort. »Sie haben nach diesen Erklärungen unsers Freundes Wrschowitz einen freundlichen Zuhörer mehr, vielleicht sogar einen begeisterten. Auch für Papa möcht’ ich mich verbürgen. Wir sind ja eigentlich selber märkisch oder doch beinah, und wissen trotzdem so wenig davon, weil wir immer draußen waren. Ich kenne wohl Saatwinkel und den Grunewald, aber das eigentlich brandenburgische Land, das ist doch noch etwas andres. Es soll alles so romantisch sein und so melancholisch, Sand und Sumpf und im Wasser ein paar Binsen oder eine Birke, dran das Laub zittert. Ist Ihre Ruppiner

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