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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Uferweg einschlagend, auf das Eierhäuschen zuschritt. Dieser Uferweg setzte sich, als man das Gartenlokal endlich erreicht hatte, jenseits desselben noch eine gute Strecke fort, und weil die wundervolle Frische dazu einlud, beschloß man, ehe man sich im »Eierhäuschen« selber niederließ, zuvor noch einen gemeinschaftlichen Spaziergang am Ufer hin zu machen. Immer weiter flußaufwärts.
    Der Enge des Weges halber ging man zu zweien, vorauf Woldemar mit Melusine, dann die Baronin mit Armgard. Erheblich zurück erst folgten die beiden älteren Herren, die schon auf dem Dampfschiff ein politisches Gespräch angeschnitten hatten. Beide waren liberal, aber der Umstand, daß der Baron ein Bayer und unter katholischen Anschauungen aufgewachsen war, ließ doch beständig Unterschiede hervortreten.
    »Ich kann Ihnen nicht zustimmen, lieber Graf. Alle Trümpfe heut, und zwar mehr denn je, sind in des Papstes Hand. Rom ist ewig und Italien nicht so fest aufgebaut, als es die Welt glauben machen möchte. Der Quirinal zieht wieder aus, und der Vatikan zieht wieder ein. Und was dann?«
    »Nichts, lieber Baron. Auch dann nicht, wenn es wirklich dazu kommen sollte, was, glaub’ ich, ausgeschlossen ist.«
    »Sie sagen das so ruhig, und ruhig ist man nur, wenn man sicher ist. Sind Sie’s? Und wenn Sie’s sind, dürfen Sie’s sein? Ich wiederhole, die letzten Entscheidungen liegen immer bei dieser Papst- und Rom-Frage.«
    »Lagen einmal. Aber damit ist es gründlich vorbei, auch in Italien selbst. Die letzten Entscheidungen, von denen Sie sprechen, liegen heutzutage ganz woanders, und es sind bloß ein paar Ihrer Zeitungen, die nicht müde werden, der Welt das Gegenteil zu versichern. Alles bloße Nachklänge. Das moderne Leben räumt erbarmungslos mit all dem Überkommenen auf. Ob es glückt, ein Nilreich aufzurichten, ob Japan ein England im Stillen Ozean wird, ob China mit seinen vierhundert Millionen aus dem Schlaf erwacht und, seine Hand erhebend, uns und der Welt zuruft: ›Hier bin ich‹, allem vorauf aber, ob sich der vierte Stand etabliert und stabiliert (denn darauf läuft doch in ihrem vernünftigen Kern die ganze Sache hinaus) - das alles fällt ganz anders ins Gewicht als die Frage ›Quirinal oder Vatikan‹. Es hat sich überlebt. Und anstaunenswert ist nur das eine, daß es überhaupt noch so weiter geht. Das ist der Wunder größtes.«
    »Und das sagen Sie, der Sie zeitweilig den Dingen so nahe gestanden?«
    » Weil ich ihnen so nahe gestanden.«
    Auch die beiden voranschreitenden Paare waren in lebhaftem Gespräch.
    An dem schon in Dämmerung liegenden östlichen Horizont stiegen die Fabrikschornsteine von Spindlersfelde vor ihnen auf, und die Rauchfahnen zogen in langsamem Zuge durch die Luft.
    »Was ist das?« fragte die Baronin, sich an Woldemar wendend.
    »Das ist Spindlersfelde.«
    »Kenn’ ich nicht.«
    »Doch vielleicht, gnädigste Frau, wenn Sie hören, daß in eben diesem Spindlersfelde der für die weibliche Welt so wichtige Spindler seine geheimnisvollen Künste treibt. Besser noch seine verschwiegenen. Denn unsre Damen bekennen sich nicht gern dazu.«
    »So, der! Ja, dieser unser Wohltäter, den wir - Sie haben ganz recht - in unserm Undank so gern unterschlagen. Aber dies Unterschlagen hat doch auch wieder sein Verzeihliches. Wir tun jetzt (leider) so vieles, was wir, nach einer alten Anschauung, eigentlich nicht tun sollten. Es ist, mein’ ich, nicht passend, auf einem Pferdebahnperron zu stehen, zwischen einem Schaffner und einer Kiepenfrau, und es ist noch weniger passend, in einem Fünfzigpfennigbasar allerhand Einkäufe zu machen und an der sich dabei aufdrängenden Frage: ›Wodurch ermöglichen sich diese Preise?‹ still vorbeizugehen. Unser Freund in Spindlersfelde da drüben degradiert uns vielleicht auch durch das, was er so hilfreich für uns tut. Armgard, wie denken Sie darüber?«
    »Ganz wie Sie, Baronin.«
    »Und Melusine?«
    Diese gab kopfschüttelnd die Frage weiter und drang darauf, daß die beiden älteren Herren, die mittlerweile herangekommen waren, den Ausschlag geben sollten. Aber der alte Graf wollte davon nichts wissen. »Das sind Doktorfragen. Auf derlei Dinge lass’ ich mich nicht ein. Ich schlage vor, wir machen lieber kehrt und suchen uns im ›Eierhäuschen‹ einen hübschen Platz, von dem aus wir das Leben auf dem Fluß beobachten und hoffentlich auch den Sonnenuntergang gut sehen können.«
    Ziemlich um dieselbe Stunde, wo die Barbyschen und Berchtesgadenschen

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