Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
Vom Netzwerk:
reizender Junge.«
    Während sie noch so sprachen, erschien Hartwig, auf den Imme, skatdurstig, schon seit einer Viertelstunde gewartet hatte, und keine drei Minuten mehr, so war auch Hedwig da, die sich bis kurz vorher mit ihrem kleinen Cousin Rudolf in dem Hof unten abgeäschert hatte. Beide wurden mit gleicher Herzlichkeit empfangen, Hartwig, weil nach seinem Erscheinen die Skatpartie beginnen konnte, Hedwig, weil Frau Imme nun gute Gesellschaft hatte. Denn Hedwig konnte wundervoll erzählen und brachte jedesmal Neuigkeiten mit. Sie mochte vierundzwanzig sein, war immer sehr sauber gekleidet und von heiter übermütigem Gesichtsausdruck. Dazu krauses, kastanienbraunes Haar. Es traf sich, daß sie mal wieder außer Dienst war.
    »Nun, das ist recht, Hedwig, daß du kommst«, sagte Frau Imme. »Rudolfen hab’ ich eben erst gefragt, wo du geblieben wärst, denn ich habe dich ja mit ihm spielen sehen; aber solch Junge weiß nie was; der denkt bloß immer an sich, und ob er sein Stück Kuchen kriegt. Na, wenn er kommt, er soll’s haben; Robinson ißt immer so wenig, wiewohl er den Streusel ungeheuer gern mag. Aber so sind die Engländer, sie sind nicht so zugreifsch, und dann geniert sich mein Imme auch, und die Hälfte bleibt übrig. Na, jedenfalls is es nett, daß du wieder da bist. Ich habe dich ja seit deinem letzten Dienst noch gar nicht ordentlich gesehen. Es war ja wohl ‘ne Hofrätin? Na, Hofrätinnen, die kenn’ ich. Aber es gibt auch gute. Wie war er denn?«
    »Na, mit ihm ging es.«
    »Deine krausen Haare werden wohl wieder schuld sein. Die können manche nicht vertragen. Und wenn dann die Frau was merkt, dann is es vorbei.«
    »Nein, so war es nicht. Er war ein sehr anständiger Mann. Beinahe zu sehr.«
    »Aber, Kind, wie kannst du nur so was sagen? Wie kann einer zu anständig sein?«
    »Ja, Frau Imme. Wenn einen einer gar nicht ansieht, das is einem auch nicht recht.«
    »Ach, Hedwig, was du da bloß so red’st! Und wenn ich nich wüßte, daß du gar nich so bist… Aber was war es denn?«
    »Ja, Frau Imme, was soll ich sagen, was es war; es is ja immer wieder dasselbe. Die Herrschaften können einen nich richtig unterbringen. Oder wollen auch nich. Immer wieder die Schlafstelle oder, wie manche hier sagen, die Schlafgelegenheit.«
    »Aber, Kind, wie denn? Du mußt doch ‘ne Gelegenheit zum Schlafen haben.«
    »Gewiß, Frau Imme. Und ‘ne Gelegenheit, so denkt mancher, is ‘ne Gelegenheit. Aber gerade die , die hat man nich. Man ist müde zum Umfallen und kann doch nicht schlafen.«
    »Versteh’ ich nich.«
    »Ja, Frau Imme, das macht, weil Sie von Kindesbeinen an immer bei so gute Herrschaften waren, und mit Lizzi is es jetzt wieder ebenso. Die hat es auch gut un is, wie wenn sie mit dazu gehörte. Meine Tante Hartwig erzählt mir immer davon. Und einmal hab’ ich es auch so gut getroffen. Aber bloß das eine Mal. Sonst fehlt eben immer die Schlafgelegenheit.«
    Frau Imme lachte.
    »Sie lachen darüber, Frau Imme. Das is aber nich recht, daß Sie lachen. Glauben Sie mir, es is eigentlich zum Weinen. Und mitunter hab’ ich auch schon geweint. Als ich nach Berlin kam, da gab es ja noch die Hängeböden.«
    »Kenn’ ich, kenn’ ich; das heißt, ich habe davon gehört.«
    »Ja; wenn man davon gehört hat, das is nich viel. Man muß sie richtig kennen lernen. Immer sind sie in der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade gegenüber. Und nun steigt man auf eine Leiter, und wenn man müde is, kann man auch runterfallen. Aber meistens geht es. Und nun macht man die Tür auf und schiebt sich in das Loch hinein, ganz so wie in einen Backofen. Das is, was sie ‘ne Schlafgelegenheit nennen. Und ich kann Ihnen bloß sagen: auf einem Heuboden is es besser, auch wenn Mäuse da sind. Und am schlimmsten is es im Sommer. Draußen sind dreißig Grad, und auf dem Herd war den ganzen Tag Feuer; da is es denn, als ob man auf den Rost gelegt würde. So war es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, sie dürfen jetzt so was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Ach, Frau Imme, die Polizei is doch ein rechter Segen. Wenn wir die Polizei nich hätten (und sie sind auch immer so artig gegen einen), so hätten wir gar nichts. Mein Onkel Hartwig, wenn ich ihm so erzähle, daß man nicht schlafen kann, der sagt auch immer: ›Kenn’ ich, kenn’ ich; der Bourgeois tut nichts für die Menschheit. Und wer nichts für die Menschheit tut, der muß abgeschafft werden.‹«
    »Ja, dein Onkel spricht so. Und war es denn

Weitere Kostenlose Bücher