Der Stechlin.
am leichtesten. Und dann sind da noch weiterhin die preußischen, das heißt die ostpreußischen, wo schon alles aufhört. Nun die kenn’ ich, die sind ganz wie ihre Litauer Füllen und schlagen aus und beknabbern alles. Und je reicher sie sind, desto schlimmer. Und nun wirst Du fragen, warum ich gegen andre so streng und so sehr für unsre Mark bin, ja speziell für unsre Mittelmark. Deshalb, mein lieber Woldemar, weil wir in unsrer Mittelmark nicht so bloß äußerlich in der Mitte liegen, sondern weil wir auch in allem die rechte Mitte haben und halten. Ich habe mal gehört, unser märkisches Land sei das Land, drin es nie Heilige gegeben, drin man aber auch keine Ketzer verbrannt habe. Sieh, das ist das, worauf es ankommt, Mittelzustand - darauf baut sich das Glück auf. Und dann haben wir hier noch zweierlei: in unserer Bevölkerung die reine Lehre und in unserm Adel das reine Blut. Die , wo das nicht zutrifft, die kennt man. Einige meinen freilich, das, was sie das ›Geistige‹ nennen, das litte darunter. Das ist aber alles Torheit. Und wenn es litte (es leidet aber nicht), so schadet das gar nichts. Wenn das Herz gesund ist, ist der Kopf nie ganz schlecht. Auf diesen Satz kannst Du Dich verlassen. Und so bleibe denn, wenn Du suchst, in unsrer Mark und vergiß nie, daß wir das sind, was man so ›brandenburgische Geschichte‹ nennt. Am eindringlichsten aber laß Dir unsre Rheinsberger Gegend empfohlen sein, von der mir selbst Koseleger - trotzdem seine Feinde behaupten, er betrachte sich hier bloß wie in Verbannung und sehne sich fort nach einer Berliner Domstelle -, von der mir selbst Koseleger sagte: ›Wenn man sich die preußische Geschichte genau ansieht, so findet man immer, daß sich alles auf unsre alte, liebe Grafschaft zurückführen läßt; da liegen die Wurzeln unsrer Kraft.‹ Und so schließe ich denn mit der Bitte: heirate heimisch und heirate lutherisch. Und nicht nach Geld (Geld erniedrigt), und halte Dich dabei versichert der Liebe Deiner Dich herzlich liebenden Tante und Patin Adelheid von St.«
Woldemar lachte. »Heirate heimisch und heirate lutherisch - das hör’ ich nun schon seit Jahren. Und auch das dritte höre ich immer wieder: ›Geld erniedrigt.‹ Aber das kenn’ ich. Wenn’s nur recht viel ist, kann es schließlich auch eine Chinesin sein. In der Mark ist alles Geldfrage. Geld - weil keins da ist - spricht Person und Sache heilig und, was noch mehr sagen will, beschwichtigt zuletzt auch den Eigensinn einer alten Tante.«
Während er lachend so vor sich hin sprach, überflog er noch einmal den Brief und sah jetzt, daß eine Nachschrift an den Rand der vierten Seite gekritzelt war. »Eben war Katzler hier, der mir von der am Sonnabend in unserm Kreise stattfindenden Nachwahl erzählte. Dein Vater ist aufgestellt worden und hat auch angenommen. Er bleibt doch immer der alte. Gewiß wird er sich einbilden, ein Opfer zu bringen - er litt von Jugend auf an solchen Einbildungen. Aber was ihm ein Opfer bedünkte, waren, bei Lichte besehen, immer bloß Eitelkeiten. Deine A. von St.«
Siebzehntes Kapitel
Es war so, wie die Tante geschrieben: Dubslav hatte sich als konservativen Kandidaten aufstellen lassen, und wenn für Woldemar noch Zweifel darüber gewesen wären, so hätten einige am Tage darauf von Lorenzen eintreffende Zeilen diese Zweifel beseitigt. Es hieß in Lorenzens Brief:
»Seit Deinem letzten Besuch hat sich hier allerlei Großes zugetragen. Noch am selben Abend erschienen Gundermann und Koseleger und drangen in Deinen Vater, zu kandidieren. Er lehnte zunächst natürlich ab; er sei weltfremd und verstehe nichts davon. Aber damit kam er nicht weit. Koseleger, der - was ihm auch später noch von Nutzen sein wird - immer ein paar Anekdoten auf der Pfanne hat, erzählte ihm sofort, daß vor Jahren schon, als ein von Bismarck zum Finanzminister Ausersehener sich in gleicher Weise mit einem ›Ich verstehe nichts davon‹ aus der Affäre ziehen wollte, der bismarckisch prompten Antwort begegnet sei: ›Darum wähle ich Sie ja gerade, mein Lieber‹, - eine Geschichte, der Dein Vater natürlich nicht widerstehen konnte. Kurzum, er hat eingewilligt. Von Herumreisen ist selbstverständlich Abstand genommen worden, ebenso vom Redenhalten. Schon nächsten Sonnabend haben wir Wahl. In Rheinsberg, wie immer, fallen die Würfel. Ich glaube, daß er siegt. Nur die Fortschrittler können in Betracht kommen und allenfalls die Sozialdemokraten, wenn vom Fortschritt (was leicht
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