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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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orientalischer Anschauung stellt Blut die Unschuld als solche wieder her.«
    »Na, hören Sie, Rektor.«
    »Ja, es ist so, meine Herren. Und ich darf sagen, es zählt das zu dem Feinsten und Tiefsinnigsten, was es gibt. Und ich habe da auch neulich erst eine Geschichte gelesen, die das alles nicht bloß so obenhin bestätigt, sondern beinahe großartig bestätigt. Und noch dazu aus Siam.«
    »Aus Siam?«
    »Ja, aus Siam. Und ich würde Sie damit behelligen, wenn die Sache nicht ein bißchen zu lang wäre. Die Herren vom Lande werden so leicht ungeduldig, und ich wundere mich oft, daß sie die Predigt bis zu Ende mitanhören. Daneben ist freilich meine Geschichte aus Siam…«
    »Erzählen, Direktorchen, erzählen.«
    »Nun denn, auf Ihre Gefahr. Freilich auch auf meine… Da war also, und es ist noch gar nicht lange her, ein König von Siam. Die Siamesen haben nämlich auch Könige.«
    »Nu, natürlich. So tief stehen sie doch nicht.«
    »Also da war ein König von Siam, und dieser König hatte eine Tochter.«
    »Klingt ja wie aus ‘m Märchen.«
    »Ist auch, meine Herren. Eine Tochter, eine richtige Prinzessin, und ein Nachbarfürst (aber von geringerem Stande, so daß man doch auch hier wieder an den Kandidaten erinnert wird) - dieser Nachbarfürst raubte die Prinzessin und nahm sie mit in seine Heimat und seinen Harem, trotz alles Sträubens.«
    »Na, na.«
    »So wenigstens wird berichtet. Aber der König von Siam war nicht der Mann, so was ruhig einzustecken. Er unternahm vielmehr einen heiligen Krieg gegen den Nachbarfürsten, schlug ihn und führte die Prinzessin im Triumphe wieder zurück. Und alles Volk war wie von Sieg und Glück berauscht. Aber die Prinzessin selbst war schwermütig.«
    »Kann ich mir denken. Wollte wieder weg.«
    »Nein, ihr Herren. Wollte nicht zurück. Denn es war eine sehr feine Dame, die gelitten hatte…«
    »Ja. Aber wie…«
    »… Die gelitten hatte und fortan nur dem einen Gedanken der Entsühnung lebte, dem Gedanken, wie das Unheilige, das Berührtsein, wieder von ihr genommen werden könne.«
    »Geht nicht. Berührt is berührt.«
    »Mitnichten, Herr von Molchow. Die hohe Priesterschaft wurde herangezogen und hielt, wie man hier vielleicht sagen würde, einen Synod, in dem man sich mit der Frage der Entsühnung oder, was dasselbe sagen will, mit der Frage der Wiederherstellung der Virginität beschäftigte. Man kam überein (oder fand es auch vielleicht in alten Büchern), daß sie in Blut gebadet werden müsse.«
    »Brrr.«
    »Und zu diesem Behufe wurde sie bald danach in eine Tempelhalle geführt, drin zwei mächtige Wannen standen, eine von rotem Porphyr und eine von weißem Marmor, und zwischen diesen Wannen, auf einer Art Treppe, stand die Prinzessin selbst. Und nun wurden drei weiße Büffel in die Tempelhalle gebracht, und der Hohepriester trennte mit einem Schnitt jedem der drei das Haupt vom Rumpf und ließ das Blut in die daneben stehende Porphyrwanne fließen. Und jetzt war das Bad bereitet, und die Prinzessin, nachdem siamesische Jungfrauen sie entkleidet hatten, stieg in das Büffelblut hinab, und der Hohepriester nahm ein heiliges Gefäß und schöpfte damit und goß es aus über die Prinzessin.«
    »Eine starke Geschichte; bei Tisch hätt’ ich mehrere Gänge passieren lassen. Ich find’ es doch entschieden zu viel.«
    »Ich nicht«, sagte der alte Zühlen, der sich inzwischen eingefunden und seit ein paar Minuten mit zugehört hatte. »Was heißt zu viel oder zu stark? Stark ist es, so viel geb’ ich zu; aber nicht zu stark. Daß es stark ist, das ist ja eben der Witz von der Sache. Wenn die Prinzessin bloß einen Leberfleck gehabt hätte, so fänd’ ich es ohne weiteres zu stark; es muß immer ein richtiges Verhältnis da sein zwischen Mittel und Zweck. Ein Leberfleck ist gar nichts. Aber bedenken Sie, ‘ne richtige Prinzessin als Sklavin in einem Harem; da muß denn doch ganz anders vorgegangen werden. Wir reden jetzt so viel von ›großen Mitteln‹. Ja, meine Herren, auch hier war nur mit großen Mitteln was auszurichten.«
    »Igni et ferro«, bestätigte der Rektor.
    »Und«, fuhr der alte Zühlen fort, »so viel wird jedem einleuchten, um den Teufel auszutreiben (als den ich diesen Nachbarfürsten und seine Tat durchaus ansehe), dazu mußte was Besonderes geschehn, etwas Beelzebubartiges. Und das war eben das Blut dieser drei Büffel. Ich find’ es nicht zu viel.«
    Thormeyer hob sein Glas, um mit dem alten Zühlen anzustoßen. »Es ist genauso, wie

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