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Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Titel: Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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anzunehmen, dass das Portal inzwischen bedroht sei.
    »Hat er meine Berichte denn nicht erhalten?«, fragte Lyall.
    Der Bote war nur ein Bote. Er wusste es nicht.
    Lyall war ein ergebener Anhänger des Schilds, und dazu hatte er auch allen Grund, denn der Schild hatte Lyall, der als vierzehnter Sohn eines Bauern zur Welt gekommen war, zum Kommandanten gemacht. Lyall hatte schwer gearbeitet, um diese Stellung zu erreichen. Er hatte mutig gekämpft und bei zahllosen Gelegenheiten sein Leben aufs Spiel gesetzt. Die Kampfesnarben, die er trug, hätten einen Trevinici-Krieger stolz gemacht. Man hatte ihn mit diesem Rang und dieser Stellung belohnt.
    Lyall wusste selbstverständlich, dass der Schild dafür absolute Treue von ihm erwartete. Er wusste, dass man ihn auf diese Stelle gesetzt hatte, weil der Schild hier einen Mann haben wollte, auf den er sich vollkommen verlassen konnte. Lyall war dieser Mann. Ohne den Schild wäre er jetzt wohl vor einen Pflug gespannt und würde über die Felder stapfen. Jeden Abend, wenn Lyall seine Gebete an die Götter sprach, schloss er auch den Schild darin ein.
    Dennoch, nun gab es im Morgengrauen einen kurzen Augenblick, in dem Lyall versucht war, die Weisheit seines Herrn in Zweifel zu ziehen. Der Schild hatte dem Portal genau zu jenem Zeitpunkt die meisten Verteidiger genommen, an dem es sie vielleicht am meisten brauchte.
    Erst fünf Tage zuvor hatte Lyall dem Schild eine dringende Botschaft geschickt und darin erklärt, er glaube, dass sich eine Menschenarmee im Wald rings um das Portal verberge. Die elfischen und nimoreanischen Späher, die regelmäßig die Wälder durchstreiften, hatten nichts Ungewöhnliches gesehen, aber mehrere Patrouillen waren verschwunden. Beunruhigt hatte Lyall seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt und die Wachen auf den Türmen verdoppelt. Er hatte die Wyred nicht informiert, denn als Soldat war er dazu gezwungen, diesem ehrlosen Stand gegenüber blind zu sein. Außerdem verließ er sich darauf, dass die Wyred alles über die Anwesenheit eines möglichen Feindes wüssten, wahrscheinlich sogar mehr als er.
    Er hatte keine Antwort auf seine Botschaft erhalten, und jetzt das hier. Lyall verstand es nicht. Er konnte nur gehorchen.
    Die Soldaten zogen davon. Lyall hatte keine Zeit, ihnen nachzutrauern. Er rief seine verbliebenen Offiziere zusammen und entwarf neue Pläne für die Verteidigung, falls das Portal angegriffen werden sollte. Er teilte die Wachen neu ein. Er tat, was er konnte, um die Moral aufrechtzuerhalten, gab sich unbeschwert und erklärte, sie würden an diesem Abend endlich einmal genug zu essen haben, da sie die Vorräte nicht mehr mit den anderen Neunhundert teilen mussten.
    Die Offiziere ließen sich nicht täuschen, aber sie sagten, was von ihnen zu erwarten war. Alle dachten ohnehin das Gleiche: Was war da draußen in der Wildnis? Was hatte das Wild und die Vögel so erschreckt, dass sie verschwunden waren? Was ließ einen Späher nach dem anderen verschwinden?
    Niemand kannte die Antwort, aber alle wussten eins: Wer immer da draußen war, hatte gerade beobachten können, dass die Garnison den größten Teil ihrer Verteidiger verlor.
    Lyall schickte seine Männer wieder an die Arbeit, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und dachte darüber nach, was er tun sollte.
    Wahrscheinlich hatten die Wyred ähnliche Befehle erhalten wie Lyall. Wahrscheinlich waren die Reihen der Wyred ebenso gelichtet. Lyall konnte es nicht mit Sicherheit wissen. Er hatte nicht ein einziges Mal mit dem Oberhaupt der Wyred gesprochen. Bei jenen seltenen Gelegenheiten, bei denen sie sich miteinander abgeben mussten – normalerweise, wenn es Schwierigkeiten mit jemandem gab, der das Portal betreten wollte –, erschienen die Wyred einfach mit dem Missetäter und übergaben ihn den Soldaten. Lyall wusste nicht einmal den Namen des Oberhaupts. Er wusste so wenig über die Magier, dass er nicht einmal sicher war, ob die Wyred ein Oberhaupt hatten.
    Aber die Situation war verzweifelt. Kommandant Lyall hatte nicht die Zeit, sich an die übliche umständliche Prozedur zu halten, der sich Krieger bedienten, die sich auf die Wyred verlassen mussten, und gleichzeitig so tun, als wäre das nicht der Fall. Er musste wissen, was los war, was er bei einem Angriff erwarten konnte.
    Andere Offiziere hätten gefürchtet, ihre Ehre zu verlieren. Lyall war ein Bauer. Er hatte keine Ehre zu verlieren, sagte er sich. Vielleicht war es der Bauer in ihm, dem die Vernunft

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