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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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verspielt?»
    Das war nun schwierig zu sagen.
    «Sehen Sie», fing ich an, «es war eigentlich eine Kleinigkeit. Ich war eingeladen, bei einem Professor — ich selber bin aber keiner —, und eig entlich hätte ich gar nicht hingehen sollen, ich bin es nicht mehr gewohnt, so bei Leuten zu sitzen und zu schwatzen, ich habe es verlernt. Ich ging auch schon in das Haus hinein mit dem Gefühl, es werde nicht gut gehen — als ich meinen Hut aufhängte, kam mir schon der Gedanke, ich würde ihn vielleicht schon bald wieder brauchen. Ja, und bei diesem Professor also, da stand auf dem Tisch so ein Bild herum, ein dummes Bild,
    das mich ärgerte ...» «Was für ein Bild? Warum ärgerte?» unterbrach sie mich.
    «Ja, es war ein Bild, das den Goethe vorstellte — wissen Sie, den Dichter Goethe. Er war aber darauf nicht so, wie er wirklich ausgesehen hat — das weiß man nämlich überhaupt nicht genau, er ist seit hundert Jahren tot. Sondern Irgendein moderner Maler hatte den Goethe da so zurechtfrisiert, wie er sich ihn vorstellt, und dieses Bild ärgerte mich und war mir scheußlich zuwider — ich weiß nicht, ob Sie das verstehen?»
    «Kann ich sehr gut verstehen, sei ohne Sorge. Weiter!»
    «Schon vorher war ich mit dem Professor uneins; er ist, wie die Professoren fast alle, ein großer Patriot und hat während des Krieges brav mitgeholfen, das Volk anzulügen — im besten Glauben natürlich. Ich aber bin ein Kriegsgegner.
    Na, einerlei. Also weiter. Ich hätte ja das Bild gar nicht anzusehen brauchen ...»

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    «Hättest du allerdings nicht.»
    «Aber erstens tat es mir wegen Goethe leid, der ist mir nämlich sehr, sehr lieb, und dann war es so, daß ich dachte — — nun, ich dachte oder fühlte etwa so: da sitze ich nun bei Leuten, die ich für meinesgleichen ansehe und von denen ich dachte, auch sie werden den Goethe ähnlich wie ich lieben und sich etwa ein ähnliches Bild von ihm machen wie ich, und nun haben sie da dieses geschmacklose, verfälschte, versüßte Bild stehen und finden es herrlich und merken gar nicht, daß der Geist dieses Bildes genau das Gegenteil von Goethes Geist ist. Sie finden das Bild wunderbar, und meinetwegen können sie das ja auch — aber für mich ist dann auf einmal alles Vertrauen zu diesen Leuten, alle Freundschaft für sie und alles Gefühl von Verwandtschaft und Zusammengehören aus und vorbei. Übrigens war die Freundschaft ohnehin nicht groß. Also da wurde ich wütend und traurig und sah, daß ich ganz allein war und niemand mich verstand. Begreifen Sie?»
    «Leicht zu begreifen, Harry. Und dann? Hast du ihnen das Bild an die Köpfe gehauen?»
    «Nein, ich habe geschimpft und bin fortgelaufen, ich wollte nach Hause, aber
    — —»
    «Aber da wäre keine Mama gewesen, um den dummen Buben zu trösten oder auszuschelten. Nun ja, Harry, du tust mir beinah leid, du bist ein Kindskopf ohnegleichen.»
    Gewiß, das sah ich ein, wie mir schien. Sie gab mir ein Glas Wein zu trinken.
    Sie war in der Tat wie eine Mama mit mir. Zwischenein aber sah ich für Augenblicke, wie schön und jung sie war.
    «Also», fing sie dann wieder an, «also der Goethe ist vor hundert Jahren gestorben, und der Harry hat ihn sehr gern, und er macht sich eine wunderbare Vorstellung von ihm, wie er ausgesehen haben mag, und dazu hat Harry auch das Recht, nicht? Aber der Maler, der auch für den Goethe schwärmt und sich ein Bild von ihm macht, der hat kein Recht dazu, und der Professor auch nicht, und überhaupt niemand, denn das paßt Harry nicht, er verträgt das nicht, er muß dann schimpfen und davonlaufen! Wenn er klug wäre, so würde er über den Maler und den Professor einfach lachen. Wenn er verrückt wäre, würde er ihnen ihren 79
    Goethe ins Gesicht schmeißen. Da er aber bloß ein kleiner Bub ist, läuft er heim und will sich aufhängen — —. Ich habe deine Geschichte gut verstanden, Harry.
    Es ist eine komische Geschichte. Sie macht mich lachen. Halt, trink nicht so rasch! Burgunder trinkt man langsam, er macht sonst zu heiß. Aber dir muß man alles sagen, kleiner Bub.»
    Ihr Blick war streng und ermahnend wie der einer sechzigjährigen Gouvernante.
    «O ja», bat ich zufrieden, «sagen Sie mir nur alles.»
    «Was soll ich dir sagen?»
    «Alles, was Sie mögen.»
    «Gut, ich sage dir etwas. Seit einer Stunde hörst du, daß ich du zu dir sage, und du sagst immer noch Sie zu mir. Immer Lateinisch und Griechisch, immer möglichst kompliziert! Wenn ein Mädchen du zu dir sagt und sie dir

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