Der sterbende Detektiv - Roman
Fragen gekämpft hatte. Soll ich lachen oder weinen?, hatte sie gedacht, als sie von Anna Holt und Matilda flankiert, den Mittelgang der Kirche entlangging.
Erst weinte sie ein weiteres Mal, zum wievielten Mal wusste sie nicht. Dann lachte sie. Zum ersten Mal. Die Beerdigung hinter sich, ihr Leben ging weiter, ein Leben, das sich von dem bisherigen unterschied, aber etwas anderes konnte sie auch nicht verlangen.
»So ein verdammter Mist«, stellte der große Bruder Evert fest, der zusammen mit dem besten Freund seines Bruders und seinem eigenen Hilfsburschen an der Bar stand. Zum ersten Mal in seinem Leben mit rotgeweinten Augen, fast achtzig und ohne einen Gedanken daran, dass er ebenfalls sterben würde. Nicht heute, nicht morgen, aber früher oder später, genau wie alle anderen vor ihm. Außer Evert natürlich, der nicht im Traum daran dachte. Am allerwenigsten, seit sein eigener kleiner Bruder ins Haus der Väter eingegangen war.
»So ein Elend, dass er nicht wie alle anderen essen und trinken konnte«, meinte Evert. »Dass er sich nie bewegt hat, von der Jagd einmal abgesehen, denn da war er immer auf Zack. Er war ja noch ein Jüngling, erst siebenundsechzig. Das ist doch kein Alter! Unser Vater Evert wurde dreiundneunzig, unsere Mutter Elna sechsundneunzig, ich bin schon siebenundsiebzig, und mir ist es noch nie besser gegangen.«
»Ich glaube, es ging ihm verdammt schlecht«, meinte Jarnebring. »Als er vor drei Jahren zu arbeiten aufhörte, hatte er irgendwie einen Entschluss gefasst. Wenn er nicht mehr Polizist sein durfte, dann war alles andere auch egal.«
»Der Chef war ein guter Mann«, meinte Max. »Ein guter Mann, dem es schlecht ging. Am Ende ging es ihm sehr schlecht.« Weil ihn ein böser Mann von innen auffraß, dachte er.
»Schon möglich«, meinte Evert und nickte. »Lars war immer etwas eigen gewesen. Ich höre, was ihr sagt, aber dass es ihm so schlecht ging, wusste ich nicht. Schließlich hatte er noch die Jagd und den Wald. Und den Hof. Der gehört ja uns beiden, ihm und mir. Aber jetzt wird wohl sein Sohn seinen Anteil übernehmen.«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass es ein Zufall war, dass er am ersten Tag der Elchjagd gestorben ist?«, meinte Jarnebring.
»Vermutlich nicht«, meinte Evert, und seine breiten Schultern bebten. »Pass auf dich auf, Brüderchen«, sagte er und hob den Blick zu dem grauen Oktoberhimmel über ihren Köpfen. Er hob sein Glas und leerte es mit einem Zug. »Skål, Lars«, sagte er.
»Skål, Lars«, stimmte Jarnebring ein. Was zum Teufel soll ich jetzt nur tun?, dachte er.
»Nasdarovje! Friede sei mit dir, Chef«, sagte Max. Ich werde dafür sorgen, dass der Chef seinen Frieden findet, dachte er.
Kurz vor Mitternacht am Tag der Beerdigung fand ein Streifenwagen der Solnaer Polizei einen Personenwagen, der auf einer der Inseln im Mälarsee abgestellt worden war. Er stand in einer Parkbucht an der großen Landstraße zwischen Färingsö und Stockholm. Es handelte sich um einen grauen Renault der Mittelklasse, ordentlich und sauber, keinesfalls ein Ganovenauto, trotzdem hatte man sich entschlossen, eine Routinekontrolle durchzuführen. Im Kofferraum fand man eine übel zugerichtete Männerleiche in einer blauen Sporttasche größerer Ausführung. Der Rest war Routine.
Bereits am folgenden Morgen war der Tote identifiziert. Ein fünfzigjähriger Mann, der Besitzer des Wagens, und als die Kriminaltechniker der Solnaer Polizei seine Wohnung in Frösunda betraten, waren sie sich ziemlich sicher, dass er dort umgebracht worden war. Eine Unmenge Blut, in der Diele, in der Küche, im Wohnzimmer und im Badezimmer. Er war auf eine Art geprügelt worden, die jede menschliche Vorstellungskraft überstieg, und da er fast die ganze Zeit über am Leben gewesen sein musste, war es erstaunlich, dass keine Geräusche aus der Wohnung zu den Nachbarn gedrungen waren.
Kommissar Peter Niemi, der Chef der Kriminaltechniker der Solnaer Polizei, rief seinen Kollegen Evert Bäckström
an. Einen Bäckström, der erstaunlich munter klang, als er schließlich ans Telefon kam.
»Ich habe eine Leiche für dich, Bäckström«, sagte Niemi. »Er heißt Staffan Nilsson, Jahrgang ’60. Immobilienmakler, alleinstehend, weder Ehefrau noch Kinder, wohnt in Frösunda. Die Kollegen haben ihn im Kofferraum seines Wagens gefunden. Stand an der Landstraße nach Färingsö. Ich befinde mich in seiner Wohnung, sieht aus wie im Schlachthaus. Es muss hier passiert sein.«
»Was du nicht
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