Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Armee war so verlässlich.
    «Ihr seht müde aus, Herr», sagte Edward mitfühlend.
    «Ich bin auch müde, Herr König.»
    «Es wird zumindest eine Stunde dauern, bis Aldermann Sigelf hier ist», sagte Edward, «also erholt Euch ein wenig.»
    Ich sorgte dafür, dass mein Dutzend Männer und ihre Pferde ausruhten, dann aß ich ein armseliges Mahl aus hartem Brot und Bohnenbrei. Es regnete nun stärker, und ein Ostwind ließ den Abend grässlich kalt werden. Der König hatte sein Quartier in einer der Hütten bezogen, die wir halb zerstört hatten, um die Brücke zu verbrennen, aber irgendwo hatten seine Diener ein Stück Segeltuch aufgetrieben, mit dem sie ein behelfsmäßiges Dach aufspannten. In der Kochstelle brannte ein Feuer und ließ wirbelnden Rauch zu der dürftigen Überdachung aufsteigen. Zwei Priester stritten sich leise, als ich mich dicht ans Feuer setzte. An der Wand hatten sie einige wertvolle Kästchen gestapelt, die mit Silber, Gold und Kristall besetzt waren und die Reliquien enthielten, die der König mit auf den Kriegszug nahm, um sich das Wohlwollen seines Gottes zu sichern. Die Priester konnten sich nicht darüber einigen, ob eines der Reliquiare einen Splitter der Arche Noah oder einen Zehennagel Sankt Patricks enthielt. Ich beachtete sie nicht.
    Ich war kurz davor einzuschlafen und dachte, wie eigenartig es war, dass all diese Menschen, die in den letzten drei Jahren mein Leben beeinflusst hatten, nun an ein und demselben Ort oder in der Nähe dieses Ortes waren. Sigurd, Beortsig, Edward, Cnut, Æthelwold, Æthelflæd, Sigebriht, alle hatten sich in dieser kalten, feuchten Ecke Ostangliens eingefunden, und das war gewiss bedeutsam. Die drei Nornen verwoben die Schicksalsfäden miteinander, und dahinter musste eine Absicht stehen. Ich suchte nach einem Muster in dieser Weberei, doch ich fand keines, und dann verschwammen meine Gedanken, als ich in einen Dämmerschlaf fiel. Ich erwachte, als sich Edward durch die niedrige Tür hereinduckte. Draußen herrschte nun Dunkelheit, pechschwarze Dunkelheit. «Sigelf zieht sich nicht zurück», sagte er mit klagender Stimme zu den beiden Priestern.
    «Herr König?», fragte einer der beiden.
    «Sigelf ist starrsinnig», sagte der König und hielt die Hände über das Feuer, um sich aufzuwärmen. «Er bleibt, wo er ist! Ich habe ihm den Rückzug befohlen, aber er tut es nicht.»
    «Er tut was nicht?», fragte ich, mit einem Mal vollkommen wach.
    Edward wirkte bestürzt, als er mich nun wahrnahm. «Es geht um Sigelf», sagte er, «er beachtet meine Boten nicht! Ihr habt ihm auch einen Mann geschickt, nicht wahr? Und ich habe noch fünf weitere gesandt! Fünf! Aber sie sind alle zurück und berichten mir, dass er den Rückzug verweigert! Er sagt, es ist zu dunkel, und er wartet, bis es hell wird, aber Gott weiß, dass er das Leben seiner Männer aufs Spiel setzt. Die Dänen werden beim ersten Tageslicht handeln.» Er seufzte. «Gerade habe ich noch einen Mann mit dem Befehl losgeschickt, dass er sich zurückziehen muss.» Stirnrunzelnd hielt er inne. «Ich habe doch recht, nicht wahr?», fragte er mich, um eine Bestätigung zu bekommen.
    Ich antwortete nicht. Ich schwieg, weil ich schließlich erkannte, was die Nornen taten. Ich erkannte das Muster, in dem sie all unsere Lebensfäden verwebten, und verstand, endlich, diesen Krieg, der alles Begreifen übersteigt. Entsetzen muss auf meiner Miene gestanden haben, denn Edward starrte mich wortlos an. «Herr König», sagte ich, «befehlt der Armee, über die Brücke zurückzukommen und sich dann Sigelf anzuschließen. Versteht Ihr?»
    «Ihr wollt, dass ich …», begann er verwirrt.
    «Die gesamte Armee!», brüllte ich. «Jeder Mann! Sie sollen zu Sigelf stoßen. Jetzt!» Ich schrie ihn an, als wäre er mein Untergebener und nicht mein König, denn wenn er mir jetzt nicht gehorchte, würde er nicht mehr viel länger König sein. Möglicherweise war es schon zu spät, aber ich hatte keine Zeit, ihm alles zu erklären. Ein Königreich musste gerettet werden. «Sie sollen sich sofort in Bewegung setzen», knurrte ich ihn an, «auf demselben Weg zurück, auf dem wir gekommen sind. Zurück zu Sigelf. Und schnell!»
    Und ich hastete zu meinem Pferd.

    Ich nahm meine zwölf Männer. Wir führten die Pferde über die Brücke, stiegen auf und folgten der Straße nach Huntandon. Es herrschte tiefste Nacht, es war finster und kalt, der Wind blies uns Regen ins Gesicht, und wir konnten nicht schnell reiten. Ich weiß

Weitere Kostenlose Bücher