Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Jarl Haesten glaubt, er hätte sie gern zurück.»
    Ivann riss die Augen auf. Sigunn war eine Schönheit, blass und zart, und sie war so klug, eine verängstigte Miene aufzusetzen, als sie von Ivann und seinen Männern gemustert wurde. «Jeder Mann würde sie wiederhaben wollen», sagte Ivann.
    «Jorven wird das durchtriebene Stück zweifellos bestrafen», sagte ich unbekümmert, «aber vielleicht überlässt er sie vorher Euch, damit Ihr Euch mit ihr vergnügen könnt.» Ich zog Sigunn die Kapuze wieder über den Kopf, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. «Ihr seid in Jarl Sigurds Diensten?», fragte ich Ivann.
    «Wir stehen bei König Eohric im Dienst», sagte er.
    Es gibt da so eine Geschichte in der Heiligen Schrift der Christen, wenn ich auch vergessen habe, um wen es geht, und bestimmt keinen der Priester meiner Frau rufen werde, um es mir zu erklären, weil der Priester es als seine Pflicht ansehen würde mir beizubringen, dass ich in die Hölle fahren werde, wenn ich nicht vor seinem angenagelten Gott katzbuckle, aber in der Geschichte geht es um einen Mann, der irgendwo auf Reisen war, als ihn mit einem Mal ein unglaublich helles Licht blendete und ihm blitzartig alles klar wurde. Und so fühlte ich mich in diesem Moment.
    Eohric hatte Anlass, mich zu hassen. Ich hatte Dumnoc niedergebrannt, eine Stadt an der Küste Ostangliens, und auch wenn ich Grund genug gehabt hatte, diesen prächtigen Hafen in eine verkohlte Ruinenstätte zu verwandeln, hatte Eohric den Brand wohl kaum vergessen. Ich hatte gedacht, er hätte mir diese Kränkung in seinem dringenden Verlangen nach einem Bündnis mit Mercien und Wessex verziehen, doch nun erkannte ich seine Heimtücke. Er wollte meinen Tod. Und Sigurd ebenso, auch wenn Sigurd eher sachliche Gründe dafür hatte. Er wollte die Dänen zum Angriff auf Mercien und Wessex nach Süden führen, und er wusste, wer an der Spitze der Armee stünde, die sich ihm entgegenstellen würde. Uhtred von Bebbanburg. Das ist keine Unbescheidenheit. Ich hatte einen Ruf. Man fürchtete mich. Wenn ich tot gewesen wäre, hätte es Sigurd mit der Eroberung von Mercien und Wessex leichter gehabt.
    Und in diesem Moment, auf dieser feuchten Uferwiese, erkannte ich, wie die Falle gestellt worden war. Eohric hatte den guten Christen gespielt und vorgeschlagen, dass ich die Vertragsverhandlungen für Alfred übernahm, um mich an eine Stelle zu locken, an der mir Sigurd auflauern konnte. Sigurd, daran hatte ich keinen Zweifel, würde das Töten übernehmen, und auf diese Art würde Eohric von aller Schuld freigesprochen.
    «Herr?», fragte Ivann, den mein Schweigen befremdete, und mir wurde bewusst, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.
    «Ist Sigurd in Eohrics Gebiet einmarschiert?», fragte ich, als wäre ich dumm.
    «Das ist kein Einmarsch, Herr», sagte Ivann, und sah mich über den Fluss blicken, doch auf dem gegenüberliegenden Ufer war nichts weiter zu sehen als noch mehr Felder und Bäume. «Der Jarl Sigurd ist auf die Jagd gegangen», sagte Ivann, wenn auch misstrauisch.
    «Habt Ihr deshalb Eure Drachenköpfe auf den Schiffen gelassen?», fragte ich. Die Tierschnitzereien werden auf den Bug unserer Schiffe gesetzt, um feindliche Geister abzuschrecken, und wir nehmen sie üblicherweise ab, wenn die Schiffe durch die Gewässer befreundeter Herrscher fahren.
    «Das sind keine Drachen», sagte Ivann. «Das sind christliche Löwen. König Eohric besteht darauf, dass wir sie auf dem Bug lassen.»
    «Was sind Löwen?»
    Er zuckte mit den Schultern. «Der König sagt, es sind Löwen, Herr», sagte er bloß, weil er offenkundig die Antwort auf meine Frage nicht wusste.
    «Nun, es ist ein guter Tag zum Jagen», sagte ich. «Warum beteiligt Ihr Euch nicht daran?»
    «Wir sind hier, um die Jäger über den Fluss zu bringen», sagte er, «für den Fall, dass die Beute aufs andere Ufer wechselt.»
    Ich tat, als wäre ich erfreut. «Also könnt Ihr uns auch hinüberbringen?»
    «Können die Pferde schwimmen?»
    «Das werden sie müssen», sagte ich. Es war einfacher, Pferde zum Schwimmen zu bringen, als sie dazu zu bringen, ein Schiff zu betreten. «Wir holen die anderen», sagte ich und ließ mein Pferd umdrehen.
    «Die anderen?» Augenblicklich war Ivann wieder argwöhnisch.
    «Ihre Dienerinnen», sagte ich und zeigte mit dem Daumen auf Sigunn, «außerdem zwei von meinen Bediensteten und einige Packpferde. Wir haben sie bei einem Gehöft warten lassen.» Ich wedelte mit der Hand vage Richtung

Weitere Kostenlose Bücher