Der sterbende König (German Edition)
den Fluss zu überqueren.
Inzwischen kundschafteten wir die Gegend aus. Das ist eine Kunst. Üblicherweise hätte ich zwei Reiterpaare auf jeder Seite der Straße eingesetzt. In solchen Fällen ritt ein Paar voraus, um Hügel oder Wälder zu erkunden, während es von dem anderen im Blick behalten wurde, und erst, wenn die beiden sicher waren, dass kein Feind in Sicht war, gaben sie ihren Gefährten ein Zeichen, damit diese ihrerseits begannen, den nächsten Gebietsabschnitt auszuforschen. Doch jetzt hatte ich keine Zeit für solche Vorsichtsmaßnahmen. Ich hatte Ludda ein Kettenhemd gegeben, einen Helm und ein Schwert, während Sigunn, die so gut ritt wie nur irgendein Mann, einen dicken Umhang aus Otternfell trug.
Am späten Vormittag kamen wir an Eanulfsbirig vorbei. Wir waren noch ein gutes Stück westlich von der kleinen Siedlung, und ich hielt zwischen winterlich dunklen Bäumen an, um aufmerksam zu dem schimmernden Fluss hinüberzuschauen, zu der Brücke und den winzigen, strohgedeckten Hütten, von deren Dächern Rauchfäden in den klaren Himmel hinaufzogen. «Dort ist keiner», sagte Finan nach einer Weile. Ich vertraute mehr auf seine Augen als auf meine. «Jedenfalls niemand, über den wir uns Gedanken machen müssten.»
«Es sei denn, sie sind in den Häusern», überlegte ich laut.
«Sie hätten bestimmt ihre Pferde nicht mit in die Häuser genommen», sagte Finan, «aber willst du, dass ich es überprüfe?» Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde glaubte ich nicht, dass die Dänen dort waren. Und vielleicht waren sie überhaupt nirgends. Allerdings vermutete ich, dass sie Eanulfsbirig beobachteten, möglicherweise vom jenseitigen Flussufer aus. Dort standen Bäume auf den Uferwiesen und eine ganze Armee hätte sich im Unterholz verbergen können. Ich glaubte, Sigurd würde mit seinem Angriff abwarten, bis wir über den Fluss waren, sodass wir mit dem Rücken zum Wasser stünden, und zugleich müsste er die Brücke sichern, damit wir keinen Fluchtweg hätten. Oder Sigurd saß mit einem Becher Honigwein in seiner Festhalle, und ich bildete mir die Gefahr nur ein. «Reiten wir noch weiter nordwärts», sagte ich, und wir trieben die Pferde über die gepflügten Furchen eines Feldes, auf dem Winterweizen gesät worden war.
«Was erwartet Ihr, Herr?», fragte Ludda.
«Was dich angeht, dass du den Mund hältst, falls wir irgendeinem Dänen begegnen», sagte ich.
«Das werde ich ganz bestimmt tun», sagte er inbrünstig.
«Und bete, dass wir an den Bastarden nicht schon vorbei sind», setzte ich hinzu. Ich war unruhig, weil Osferth möglicherweise gerade in eine Falle lief, doch mein Gefühl sagte mir, dass wir den Feind noch nicht erreicht hatten. Wenn es hier überhaupt einen Feind gab. Auf mich wirkte es, als sei die Brücke bei Eanulfsbirig die beste Stelle für Sigurd, um uns in den Hinterhalt zu locken, doch soweit ich sehen konnte, waren auf dieser Seite der Ouse keine Männer, und er hätte sie gewiss auf beiden Ufern aufgestellt.
Wir ritten nun mit größerer Vorsicht weiter und hielten uns auf unserer Erkundung Richtung Norden zwischen den Bäumen. Unsere Gruppe war jenseits der Straße, auf der uns Sigurd erwarten musste, und wenn er Männer aufgestellt hatte, um uns den Fluchtweg abzuschneiden, hoffte ich sie zu entdecken. Doch die Winterlandschaft war kalt und still und verlassen. Ich begann gerade zu glauben, dass meine Befürchtungen unbegründet waren und uns in Wahrheit keine Gefahr drohte, als da, ganz unvermittelt, etwas Seltsames war.
Wir hatten Eanulfsbirig mittlerweile etwa drei Meilen hinter uns gelassen und befanden uns eine halbe Meile vom Fluss entfernt zwischen wassergetränkten Feldern und Niederwaldstreifen. Rauch stieg von einem Gehölz auf der anderen Uferseite auf, und ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, weil ich an eine Hütte dachte, die von den Bäumen verborgen wurde, doch Finan sah noch etwas anderes. «Dort», sagte er, und ich zügelte mein Pferd und sah in die Richtung, in die er deutete. Der Fluss beschrieb an dieser Stelle eine weite Kehre ostwärts, und am äußersten Punkt der Flussschleife, zwischen kahlen Weidenzweigen, ragten die unverkennbaren Umrisse zweier Schiffsrümpfe hervor. Geschnitzte Tierköpfe. Ich hatte sie nicht entdeckt, bis Finan mich auf sie hingewiesen hatte, und der Ire hatte die schärfsten Augen von allen Menschen, die mir jemals begegnet sind. «Zwei Schiffe», sagte er.
Die beiden Schiffe hatten keine Masten,
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