Der sterbende König (German Edition)
seiner Herde gerettet worden war. «Beortsig wollte meinen Tod», sagte ich.
«Oder sein Vater», gab Sihtric zu bedenken.
«Wie Sigurd es befohlen hat», riet ich, «oder vielleicht auch Æthelwold.» Und mit einem Mal schien alles so offensichtlich. Und ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich wollte es nicht tun. Ich hatte einst geschworen, niemals an Alfreds Hof zurückzukehren, doch am nächsten Tag ritt ich nach Wintanceaster.
Um den König aufzusuchen.
Æthelwold, ich hätte darauf kommen müssen. Ich kannte Æthelwold schon mein ganzes Leben, und all die Zeit hatte ich ihn verachtet. Er war Alfreds Neffe und war seines Thronrechts beraubt worden. Alfred hätte Æthelwold selbstredend schon vor Jahren töten sollen, aber irgendeine Gefühlsduselei, vielleicht Zuneigung zu dem Sohn seines Bruders, aber wahrscheinlicher noch die Schuldgefühle, die ernsthafte Christenmenschen so gern empfinden, hatte seine Hand aufgehalten.
Æthelwolds Vater war Alfreds Bruder gewesen, König Æthelred. Æthelwold hatte als ältester Sohn Æthelreds erwartet, König von Wessex zu werden, doch er war noch ein Kind, als sein Vater starb, und der Witan, die Ratsversammlung der führenden Männer, hatte stattdessen seinen Onkel Alfred auf den Thron berufen. Alfred hatte dies selbst gewünscht und viel dafür getan, und es gab immer noch Männer, die hinter vorgehaltener Hand sagten, Alfred sei ein Thronräuber. Æthelwold hatte ihm aufgrund dieser Usurpation immer übelgewollt, doch Alfred, statt seinen Neffen umzubringen, wie ich es ihm wieder und wieder empfohlen hatte, verwöhnte ihn. Er ließ ihn einige Besitzungen seines Vaters behalten, er verzieh ihm seine ständige Heimtücke, und zweifellos betete er auch für ihn. Æthelwold hatte sehr viel Gebet notwendig. Er war unzufrieden und ein Trunkenbold, und möglicherweise war das der Grund, warum Alfred ihn duldete. Es war schwer, in einem betrunkenen Narren eine Gefahr für das Königreich zu sehen.
Aber jetzt redete Æthelwold mit Sigurd. Æthelwold wollte anstelle von Edward König sein, und um König zu werden, hatte er einfach das Bündnis mit Sigurd gesucht, und Sigurd, das versteht sich, gefiel nichts besser als ein zahmer Sachse, der mit demselben Recht Anspruch auf den Thron von Wessex erhob wie Edward, und sogar mit noch größerem Recht, weil das bedeutete, dass Sigurds Einfall in Wessex den falschen Glanz der Rechtmäßigkeit tragen würde.
Sechs von uns ritten südwärts durch Wessex. Ich nahm Osferth, Sihtric, Rypere, Eadric und Ludda mit. Finan ließ ich mit dem Befehl über meine übrigen Männer zurück und mit einem Versprechen. «Wenn man sich in Wintanceaster nicht dankbar zeigt», sagte ich, «gehen wir in den Norden.»
«Wir müssen etwas tun», sagte Finan.
«Ich verspreche es», sagte ich. «Wir gehen auf Raubzug. Wir werden gut leben. Aber ich muss Alfred noch eine letzte Chance geben.»
Finan kümmerte es nicht besonders, für welche Seite wir kämpften, solange unser Kampf gewinnbringend war, und ich verstand seine Einstellung. Mein Ehrgeiz war es, mir eines Tages Bebbanburg zurückzuholen, und seiner, nach Irland heimzukehren und Rache an dem Mann zu nehmen, der seinen Besitz und seine Familie vernichtet hatte, und dafür brauchte er das Silber ebenso nötig wie ich. Finan war natürlich Christ, aber er ließ nie zu, dass dies seine Vergnügungen beeinträchtigte, und er hätte sein Schwert freudig zu einem Angriff auf Wessex erhoben, wenn es am Ende des Kampfes genügend Geld gegeben hätte, um eine Reise zurück nach Irland auszustatten. Ich wusste, dass er meinen Besuch in Wintanceaster für Zeitverschwendung hielt. Alfred mochte mich nicht, Æthelflæd schien auf Abstand zu mir gegangen zu sein, und Finan glaubte, dass ich bei Leuten betteln gehen wollte, die sich von Beginn an hätten dankbar zeigen sollen.
Und es gab Momente auf diesem Weg, in denen ich Finan recht gab. Ich hatte nun schon so viele Jahre für das Überleben von Wessex gekämpft, und ich hatte so viele Feinde von Wessex unter die Erde gebracht, und als Dank dafür stand ich mit leeren Händen da. Doch ich empfand auch eine widerwillige Loyalität. Ich habe Eide gebrochen, ich habe die Seiten gewechselt, ich habe mit den dornigen Widerhaken von Treueschwüren gekämpft, und doch hatte ich es so gemeint, als ich zu Osferth sagte, ich wäre lieber das Schwert der Sachsen als der Schild von Mercien, und deshalb würde ich einen letzten Besuch im Kernland des sächsischen
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