Danke, liebes Hausgespenst!
Es ist schwierig, mit einem Gespenst zu leben
Monika Schmidt öffnete das Butzenscheibenfenster im Erker der großen Wohndiele und blickte hinaus. Auf dem Seerosenteich waren die weißen Blüten längst verschwunden; nur noch die großen Blätter schwammen auf dem Wasser. Die Bäume auf dem Hügel jenseits des Teiches hatten begonnen, sich gelb, braun und rot zu färben. Es war ein hübscher Anblick, und dennoch seufzte Monika schwer.
„Es wird Herbst“, sagte sie, „wie schade!“
Peter, ihr Bruder, trat hinter sie und zupfte an ihren glatten roten Haaren. „Hast wohl erwartet, daß es ewig Sommer bleiben würde!“
„Aua!“ Monika fuhr herum und fauchte ihn an. „Natürlich nicht! Aber schade ist es doch! Freust du dich etwa auf die Schule?“
„Doch“, behauptete Peter, „ewig nichts tun wird doch auch fad!“
„Bravo, das höre ich gern!“ lobte ihn Herr Schmidt, der zusammen mit seiner Frau noch am Frühstückstisch saß.
Nur Liane, die ältere Schwester, zischte Peter zu: „Streber!“
„Ihr könnt doch wirklich nicht sagen, daß ich nichts tue, auch wenn ich die Jüngste bin!“ verteidigte sich Monika und ballte die Hände. „Jeden zweiten Tag habe ich den Stall ausgemistet und manchmal sogar noch öfter, wenn Liane etwas Besseres vorhatte! Ich habe Bodo täglich bewegt, und habe Kaspar gebürstet, wenn Peter mal wieder keine Zeit für seinen Hund hatte. Ich habe sogar geholfen den Gemüsegarten anzulegen und die Blumenbeete... und... und... und ich habe mich Nacht für Nacht bemüht, Amadeus bei guter Laune zu halten!“
„Das gefällt mir nicht“, sagte Herr Schmidt.
„Dann weiß ich wirklich nicht mehr, wie ich es euch recht machen soll!“ schrie Monika, und Tränen traten in ihre großen grünen Augen.
„Sei doch nicht gleich so aufgeregt, Moni“, versuchte die Mutter sie zu beruhigen. „Ich wette, so hat Vati es gar nicht gemeint!“
„Wie denn?“
„Jetzt komm einmal her, Moni!“ Herr Schmidt streckte die Hand zu ihr hin und zog sie in seine Arme. „Begreifst du denn nicht, daß ich mir Sorgen um dich mache? Du bist doch noch nicht einmal zehn Jahre.“
Monika schüttelte den Kopf.
„Doch, Moni, und nicht nur ich! Du hast dich in letzter Zeit sehr verändert... du bist so nervös, überempfindlich und aufbrausend geworden!“
„Wahrscheinlich kommt sie in die Pubertät!“ ließ Peter sich vom Fenster her vernehmen.
„Sei du nur still mit deinem Quatsch!“ ergriff Liane die Partei ihrer Schwester. „Was Kaspar betrifft hat Moni völlig recht. Es kann dir gerade so passen, mit deinem Riesenköter durch Wald und Feld zu streifen und ihm alberne Kunststückchen beizubringen... aber wenn er gebürstet werden muß, dann sollen Moni und ich herhalten!“
„Ausgerechnet du! Ich möchte wissen, wann du Kaspar gebürstet hättest!“
„Habe ich nicht, stimmt genau! Aber es ist ja auch dein Hund! Kümmerst du dich etwa um Bodo?“
„Warum sollte ich? Es ist ja euer Pferd... oder besser gesagt... euer Pferdegast!“
„Na eben. Genauso wenig geht mich dein Hund etwas an! Doof genug von Moni, daß sie sich immer wieder erweichen läßt!“
Jetzt mischte sich Monika in den Streit ihrer Geschwister. „Ich tu’s ja Kaspar zuliebe, weil der sich wohler fühlt, wenn sich jemand um seine Pflege kümmert! Und außerdem haart er uns sonst ja die ganze Bude voll!“
„Sehr richtig!“ stimmte Frau Schmidt ihr zu. „Ihr beiden Großen solltet euch was schämen, Monika ihre Gutmütigkeit auch noch vorzuhalten! Wenn man ein Tier hält... dann muß man es auch pflegen!“
„Tät ich ja schon“, brummte Peter, „wenn Moni nicht immer so voreilig wäre!“
„Ha, ha, ha!“ machte Liane. „Da kann ich ja nur lachen!“
Herr Schmidt nahm Monika auf sein Knie. „Gerade über deine Gutmütigkeit wollte ich mit dir sprechen, Moni! Wir wissen alle, was wir dir zu verdanken haben . .
„Ihr... mir?“ Monikas Tränen versiegten, so erstaunt war sie. „Aber ja doch! Ohne deine Freundschaft mit unserem Hausgespenst hätten wir doch gar nicht auf diesem herrlichen Stückchen Erde wohnen bleiben können. Erinnere dich doch, wie es uns anfangs ergangen ist. Mutti war völlig fertig mit den Nerven, und wir wollten schon aufgeben... Amadeus hatte es wirklich zu toll getrieben...“
„Pst!“ Monika legte ihrem Vater den Zeigefinger auf die Lippen. „Kann sein, daß er mithört!“
Unwillkürlich blickten alle zu dem Ölgemälde an der holzvertäfelten Wand, das einen
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