Der Stern des Untergangs
war?« fragte sie. Ihre Stimme klang betrübt, und sie blickte zu Daron, der stumm in einiger Entfernung von ihnen stehen geblieben war.
»Ja«, flüsterte Daron und starrte zu Boden.
Ban-Itos schaute den jungen Mann an. »Es tut mir leid, dass Ihr Euren Vater verloren habt. Doch sicher ist Euch klar geworden, dass er ein …«
»Ich … weiß. Er war ein Anhänger der Schwarzen Magie. Aber ich hatte einen wichtigen Grund, ihn zu finden.«
»Welcher Grund ist das?« erkundigte sich Ban-Itos. »Verzeiht, es ist nicht Neugier, die mich diese Frage stellen lässt. Nur etwas von allergrößter Dringlichkeit kann Euch dazu gebracht haben, diesen Ort aufzusuchen. Und wenn wir alle in demselben Netz gefangen sind, das sich nun schon fast zehn Jahre ausbreitet …«
Daron drehte sich um und starrte ihn erstaunt an. »Ihr meint … den Stern?«
»Den Stern?« wiederholte Ban-Itos. »Ah, ich verstehe. Ihr nennt ihn Stern, weil er vom Himmel fiel. Es tut mir leid. Für mich nenne ich ihn seit so langer Zeit Empu ki Thotak.«
»Thotas’ Gott?« Sonja nickte und lachte spöttisch.
»Ja, ein Wortspiel«, antwortete Ban-Itos. »Empu ki Thotak - ›Thotas’ Gott‹. Ampuk i Thotak – ›das Böse von Thotas‹ … Das führte euch hierher?«
»Ja«, erwiderte Daron.
Sonja seufzte tief. »Es ist eine seltsame Geschichte, Ban-Itos – eine lange Reise mit vielen Gesichtern und Geschichten, und vielem – anderen …«
»Ich glaube«, sagte der Greis nachdenklich, »dass uns dreien das gleiche Geschick eigen ist. Es wäre gut, wenn wir ihm gemeinsam folgten. Wäret ihr bereit?«
Sonja nickte und blickte zu Daron.
»Mir ist es recht«, murmelte er.
Ban-Itos streckte den Arm aus einem wallenden Ärmel und deutete auf die Tür. »Vielleicht«, meinte er, »würde uns allen frische Luft gut tun.«
Das fand Sonja auch. Als erste schritt sie zur Tür. und blickte zurück.
»Bitte«, sagte Ban-Itos mit ruhiger Stimme zu Daron. »Ich führe nichts Böses gegen Euch im Schild, wie Ihr gewiss spürt. Was immer auch unsere Wege zusammenbrachte – bitte, lasst uns darüber reden und feststellen, wohin es uns als nächstes schicken will.«
Zögernd durchquerte Daron den Raum und ging ohne aufzublicken an Sonja vorbei. Seine Schritte hallten hohl auf dem Gang in Richtung der fernen Außentür.
Sonja schaute Ban-Itos an, der auf sie zukam. »Oduracs Sohn«, murmelte er zu sich, als staune er immer noch über diese Tatsache.
»Ja«, versicherte ihm Sonja. »Oder glaubt Ihr es nicht?«
»Doch, doch. Odurac war voll Überraschungen. Vielleicht ist das bei seinem Sohn auch der Fall.«
»Zweifellos«, bestätigte Sonja leise. »Zweifellos …« Sie folgte Ban-Itos auf den Gang.
Der Morgen war noch ein schwacher Graustreifen am östlichen Horizont, als sie aus dem Berg traten. Die beiden Pferde begrüßten wiehernd ihre Reiter. Sonja ging zu ihnen, tätschelte sie, sprach beruhigend zu ihnen, dann kehrte sie zu Ban-Itos und Daron zurück, die sich in einiger Entfernung voneinander auf die gespaltenen Steinstufen der breiten Treppe gesetzt hatten.
Ein feuchter, kühler Wind blies. Die frische Luft war belebend. Sonja atmete ein paar Mal tief ein, ehe sie sich neben Ban-Itos niederließ.
»Sonja«, sagte Daron mit leiser, angespannter Stimme und schaute sie an. »Ich möchte mich entschuldigen für … für das, was mich überkam.«
Sie musterte ihn. Ihr Herz schlug heftig, ihre Gefühle spielten plötzlich verrückt, was offenbar zur Gewohnheit zu werden schien, wann immer sie Daron anschaute.
Doch ein unverfängliches Brummen war ihre einzige Antwort, ehe sie sich wieder Ban-Itos zuwandte. »Erzählt uns doch bitte, wie es dazu kam, dass Odurac Euch gefangen setzen konnte. Dann sollt Ihr von uns erfahren, wie wir hier herkamen und weshalb der Stern so wichtig für uns ist.«
Ban-Itos nickte und begann mit seiner Geschichte. Als die Nacht sich allmählich zurückzog und das frühe Grau des Morgens durch die Bäume fiel, erkannte Sonja langsam ein Muster in den Dingen, die Daron und sie beunruhigt hatten, seit sie in das Land Bo-ugans gekommen waren.
»Als der Stern vor zehn Jahren herabfiel«, erzählte Ban-Itos, »erkannten sowohl Odurac als auch ich seine Bedeutung und die Gefahr, die er dem Land brachte. Odurac schlug vor, dass wir unsere Meinungsverschiedenheiten vergessen und zusammenarbeiten sollten, um seine Macht aufzudecken – und aus der Ferne Thotas’ dem Wahnsinn entsprungene Absichten zu verhindern. Doch in
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