Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
nickte, plötzlich nahm er Sophie in den Arm und zog sie an sich, als wollte er sie wärmen. »Wir beide haben schließlich unser Lebensglück mit dem Globusbau verknüpft«, flüsterte er. »Es soll doch nicht alles vergeblich gewesen sein …«
Kielmann schwieg. Sophie war nicht sicher, ob er die Worte des Gelehrten vernommen hatte. Vielleicht hing er eigenen Gedanken nach? Sie beobachtete sein Mienenspiel, die kaum wahrnehmbaren Regungen darin. Vor etwas mehr als einem Jahr war die Frau des Kanzlers verstorben. Seitdem, so hieß es, war er noch eigenwilliger und machtbewusster geworden. Sophie dachte, dass er sich immer für die Seite der Macht entschieden hatte. Vielleicht würde er unter dem neuen Herzog noch höher steigen und noch mehr Ämter bekleiden können.
Sie lehnte sich gegen Olearius’ Schultern, versuchte ihre Gedanken nach vorne zu richten. Tönning sollte nur eine Durchgangsstation für sie sein. Sie hoffte, mit einem Schiff aus der belagerten Stadt herauszukommen. Die Eider hinunter und durch die Westsee bis nach Amsterdam – das war ihr Plan. Und in Amsterdam könnte sie sich eine Passage nach Persien suchen. Olearius hatte sie mit all seinem Wissen über die lange Schiffsreise versorgt. In den letzten Wochen vor der Abfahrt nach Tönning hatten sie nicht nur den Riesenglobus mit einer schützenden Schale aus Holz ummantelt, sondern auch gemeinsam die Details der großen Reise geplant.
Für Amsterdam hatte der Freund einen Brief für Joan Blaeu entworfen – vielleicht könnte der Kartograf ihr bei der Vermittlung einer Schiffspassage helfen?
Dann hatte Olearius sie mit seinen persischen Erfahrungen vertraut gemacht und ihr ein Empfehlungsschreiben für die hohen Herren der Stadt ausgestellt. Er hatte die Reiseroute auf einer Karte notiert, ihr die Sitten und Gebräuche des Landes erklärt und sie die wichtigsten Begriffe und Redewendungen gelehrt. Und er hatte sie vor allen Gefahren gewarnt, die einem Reisenden unterwegs begegnen konnten. Stürme und Schiffbruch, Seuchen, Überfälle und andere Plagen.
Trotzdem hatte Sophie sich nicht von ihren Plänen abbringen lassen.
»Wenn Farid nach Isfahan zurückgekehrt ist, werde ich ihn finden«, das war ihr Antrieb.
Olearius hatte den Kopf geschüttelt.
»Ihr habt Euch damals auf das Abenteuer der Persienreise eingelassen. Und Ihr habt den Bau des Riesenglobus gewagt. Ihr habt doch bewiesen, dass das Unmögliche möglich sein kann.«
»Du bist eine Frau, Sophie.«
Sie hatte gelacht, den Gedanken fortgewischt. Was wusste er davon, eine Frau zu sein? Und was wusste er davon, was einer Frau widerfahren konnte. Sie hatte doch schon alles erlebt.
»Ich werde mich zu wehren wissen.« Sie hatte auf ihren Talisman gezeigt und seinen lateinischen Spruch gemurmelt.
»Und wenn du ihn tatsächlich findest?«
Olearius hatte sich nicht mit wolkigen Worten abspeisen lassen. Beharrlich hatte er sie bis auf den Grund ihres Abschiednehmens geführt, der Reise jeden sentimentalen Charakter genommen.
»Dann werde ich ihm alles erzählen können. Alles, alles, alles … Und ich werde ihm sagen, dass ich ihn liebe. Dass ich seine Liebe nun annehmen kann.«
Olearius hatte den Kopf geschüttelt. Sie wusste, dass er sie lieber an der Seite des Globusmeisters gesehen hätte. Auch wenn ihm Farid immer am Herzen gelegen hatte, hielt er ihre Suche doch für ein Hirngespinst. »Es wird wohl einfacher sein, einen neuen Stern am Himmel zu finden, als den Perser wieder aufzuspüren«, hatte er zuletzt eingewandt. »Als Mathematiker würde ich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit gegen Null tendiert, doch als Freund wünsche ich dir, dass du deinen Stern findest.«
Sophie sah auf die Gestalt des Herzogs, sah seine geschlossenen Augen, das zerfurchte Gesicht, die Qual darin. Plötzlich dachte sie, dass sie fortgehen musste, um nicht mehr zu fliehen.
Sie wollte ihren Frieden finden – endlich.
Als sie die Brücke nach Tönning hinein überquerten, kam Herzog Friedrich wieder zu sich. Stöhnend richtete er sich auf, sein Blick irrte in der Kutsche herum. Verwirrt blickte er die drei Mitreisenden an.
»Wo sind wir?«, fragte er und zog Allard auf seinen Schoß. »Sind wir schließlich an das Ende der Welt gekommen?«
EPILOG
Isfahan – die Perle der Welt. Da waren die stolzen Kuppeln der Moscheen, die Paläste und Märkte, das lärmende Treiben in den Gassen, der Staub und die Hitze. Der Ruf des Muezzins zum Gebet, fünfmal am Tag, ein alt vertrauter Rhythmus. Allahu
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