Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
nach den von Euch ausgehandelten Kontrakten und Verträgen ginge, wären wir nicht auf der Flucht. Und Herzog Friedrich könnte souverän über das Schicksal der Herzogtümer entscheiden. Er hat immer nach Unabhängigkeit gestrebt. Der Riesenglobus ist durchdrungen von dem Gedanken einer vollkommenen, freien Welt.«
»Der Globus ist ein Monument Eurer Eitelkeit, Olearius. Ihr habt dem Herzog doch diese Vermessenheit erst eingepflanzt. Aber glaubt mir, ein Land, ein Reich lässt sich allein durch eine harte Hand und ausgeglichene Bilanzen regieren. Pomp, Prunk und wissenschaftliche Prahlerei sind doch lediglich unausgegorene Schwärmereien …«
»Ihr …« Olearius spürte, dass er kurz davor war, die Hand gegen sein Gegenüber zu erheben. Erschrocken schlug er die Augen nieder. Was war nur in ihn gefahren, dass er sich derart provozieren ließ? Er war doch ein Mann des Wortes, ein Freund der mäßigenden Gedanken. Gerade die Schönheit des Riesenglobus, die Erhabenheit von Erde und Kosmos, hatten ihm doch gezeigt, dass der Verstand die einzig sinnvolle Konstante in dieser aus den Fugen geratenen Welt war.
»Ja, ich habe Angst um den Riesenglobus«, flüsterte er, eine Spur versöhnlicher nun. »Wir alle fürchten um seine Sicherheit. Wir können nur beten, dass Kurfürst Friedrich Wilhelm ein verständiger Mann ist.«
Kielmann lehnte sich wieder zurück. Auch er schien nach einem mäßigenden Wort zu suchen. Langsam öffneten sich seine Lippen.
Im nächsten Moment drang ein hässliches Geräusch an ihre Ohren. Ein Pferd schrie in Todesangst. Dann das Splittern von Holz, das Fluchen und Schreien der Wachen und Soldaten. Die Kutsche begann zu schlingern.
Sophie griff nach Olearius’ Hand, er spürte ihre Nägel, die sich in seine Handflächen bohrten. Ein Angriff, schoss es ihm durch den Kopf, eine Falle. Die Truppen der Alliierten, lauerten sie etwa schon vor der Festung? Mit einem Ruck kam die Kutsche zum Stehen.
»Was zum Teufel?« Kielmann stemmte sich aus seinem Sitz, ungelenk streckte er seinen Kopf aus der Kutsche. Fast sah es so aus, als steckte er im Holz fest.
»Die Kutsche des Herzogs …«, sagte er, als er sich mühsam ins Wageninnere zurückgeschoben hatte. Sein Gesicht war nass vom Regen. »Ein Achsbruch vielleicht, sie ist in einen Graben gestürzt.«
»Wir müssen helfen!« Sophie sprang auf, sie hielt Olearius noch immer bei der Hand, zog ihn mit sich. »Vielleicht ist der Herzog verletzt?«
Olearius ließ sich mitziehen, er dachte an das schwache Herz des Herrschers. Vielleicht war er bereits …? Entsetzt verscheuchte er den furchtbaren Gedanken.
Sophie war schon aus der Kutsche gesprungen, ihr Rocksaum schleifte durch den Matsch der aufgeweichten Straße. Mühsam kämpfte sie sich durch den von der See über das Land peitschenden Regen. Olearius folgte ihr, er spürte, wie das Wasser sofort bis auf die Haut vordrang. Der Wind schlug ihm schmerzhaft ins Gesicht.
Die Kutsche des Herzogs lag auf der Seite und hatte ein Pferd unter sich begraben. Die Flanken des Tieres zuckten im Todeskampf. Vom Kutscher dagegen war nichts zu sehen – lag er noch verletzt im Graben? Zwei Wagenräder waren gebrochen, die restlichen drehten sich noch in der Luft. Kopflos drängten sich die Wachen um die Kutsche. Aus dem Wageninneren drang das Jaulen eines Hundes.
»Warum helft ihr denn nicht?« Sophie stieß einige Männer zur Seite, wild gestikulierend ließ sie sich in den Graben hinabrutschen. Sie war inzwischen vollkommen durchnässt.
»Sophie, halt!« Olearius rutschte ihr hinterher, er versuchte, ihre Hand zu packen. Der Graben schien tief, die Lage war kompliziert. »So bekommen wir die Wagentür nicht auf. Wir brauchen Hilfe, die Männer müssen von oben ziehen.«
Inzwischen hatten die Wachen begriffen. Als er sich umdrehte, sah er, dass jemand mit einem Seil gelaufen kam. Unaufhörlich sickerte kaltes Wasser in seine Stiefel.
Sophie versuchte unterdessen, auf die Wagenkarosse zu klettern. Immer wieder rutschte sie auf dem nassen Holz ab, bis Olearius sich von unten gegen sie stemmte und ihr Halt gab. Wie ein Akrobat kletterte sie auf seine Schultern und für einen Moment wunderte er sich, wie leicht sie trotz der nassen Röcke war.
»Ich kann den Herzog sehen …«
»Atmet er?« Olearius hörte die Angst in seiner Stimme. Der Wind trug seine Worte davon.
»Ich weiß es nicht, es ist zu dunkel. Er … er scheint das Bewusstsein verloren zu haben. Der Hund leckt seine Hände.«
»Sie werfen
Weitere Kostenlose Bücher