Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
hoch am Himmel, ihre Strahlen brachen sich in den glänzenden Kuppeldächern ringsum. Als die Zeit zum Gebet gekommen war, dachte Farid für einen Moment daran, die Moschee des Schahs aufzusuchen. Er liebte den Blick in die reich geschmückte Kuppel, die farbigen Fayencen und Mosaiken. Das flirrende Mittagslicht würde sich in den Farben vervielfachen, bis das Licht einen Rausch erzeugte. Wie Musik, so hatte er Sophie die Faszination des Kuppelraumes einmal beschrieben.
Doch dann entschied er sich dafür, unter einem der Bäume in den Gartenanlagen zu beten. Während der Ruf des Muezzins über die Dächer schwebte, legte er den Teller vor sich ins Gras, dann begann er, sein Gebet zu sprechen.
»Allahu akbar.« Durch den Rhythmus der vertrauten Verse und Bewegungen glitt er wie auf Vogelschwingen davon.
Die Gegenwart verschwamm vor seinen Augen und plötzlich war er zurück auf dem Hügel in den Gottorfer Gärten. Es war der Moment, in dem er Sophie zum ersten Mal begegnet war. Er sah das feine Gesicht unter dem blonden Haar, die strahlenden Augen. Sophian, ein Junge, der Freund – damals noch.
Und dann: Sophie. Wie sähe sie heute aus? Würde er sie erkennen, wenn sie vor ihm stünde?
»Und was machst du da?«, das waren Sophians Worte gewesen. Er hatte sie nie vergessen. Wenig später hatten sie über Persien gesprochen. Ein Zauber, wie ein Schleier, hatte sich um sie gelegt, es war der Beginn von etwas Großem gewesen.
»Allahu akbar.« Unwillkürlich seufzte Farid auf. Er würde dieses Bild nie verlieren – und die Sehnsucht nach Sophie.
Ein leiser Windhauch fuhr durch die Bäume und schlug den Stoff des Tellers, der vor ihm lag, zurück. Sonnenstrahlen, die durch die Äste rieselten, spiegelten sich darin und dann, für die Dauer eines Wimpernschlages, sah er sie auf dem Grund des Silbertellers.
»Sophie«, murmelte er und seine Stimme brach. Sie sah ihn an, sah ihm in die Augen. Es war, als ob sie für einen Moment durch einen Zeitstrahl blicken könnten. Im nächsten Augenblick wusste er, dass sie auf dem Weg zu ihm war.
Tränen stiegen ihm in die Augen. Dann die Gewissheit, dass er ihr endlich verzeihen könnte. Und dass er sie nur noch in seine Arme schließen wollte.
»Ich warte auf dich, Sophie.« Wie ein Versprechen drückte er seine Lippen auf den silbernen Teller. Dann sah er, dass seine Tränen Sternen gleich auf dem Silbergrund glitzerten.
Im Hintergrund schrien die Pfauen in den königlichen Gärten.
Anmerkungen
Zu Ehren Gottes, dem Baumeister von Himmel und Erde.
In Bewunderung dieses Werkes wünschte der Durchlauchtigste und Höchste Fürst und Herr, Herr Friedrich, Erbe des Königreiches Norwegen, Herzog von Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen, Graf in Oldenburg und Delmenhorst, aus einzigartiger Liebe zum Studium der Mathematik, in welchem er sehr erfahren war, dieses Abbild der Natur und des weiten Kosmos herzustellen, welches zugleich ein ewiges, unsterbliches Denkmal seines Ruhmes setzt. Begonnen im Jahre 1654 und durch den Dänisch-Schwedischen Krieg unterbrochen, sorgte der Durchlauchtigste Sohn Christian Albrecht im Jahre 1664 für die Vollendung. Leitung: Adam Olearius aus Sachsen. Hersteller: Andreas Bösch aus Limburg. Kartografen: Christian und Andreas Rothgießer, Gebrüder aus Husum.
Übersetzung der lateinischen Widmungsinschrift auf dem Gottorfer Globus
In der Mitte des 17. Jahrhunderts ist Schloss Gottorf, Residenz der Gottorfer Herzöge, eines der bedeutendsten höfischen Zentren Europas. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges erlebt Gottorf unter seinem Herzog Friedrich III . (1597–1659) eine stürmische Zeit wissenschaftlicher und kultureller Blüte. Friedrichs Streben nach fürstlicher Repräsentation und wissenschaftlicher Erkenntnis verdankt Schleswig gleich zwei Wunderwerke der Zeit: den barocken Neuwerk-Garten und den Gottorfer Riesenglobus mit seinem Schwesterstück, der Sphaera Copernicana .
Die prächtige Grünanlage, mit deren Errichtung 1637 unter Hofgärtner Johannes Clodius Friedrichs (1584–1660) begonnen wird, ist der erste Garten im italienischen Stil nördlich der Alpen. Terrassen, Kaskaden und Fontänen schmücken den prächtigen Barockgarten, der zudem mehr als tausend exotische Pflanzen wie Zitrusfrüchte, Aloe und Ananas beherbergt. Deren Beschaffung ist kostspielig und die Pflege stellt die Gärtner vor immer neue Herausforderungen. Mit dem vierbändigen »Gottorfer Codex« schafft der Hamburger Maler Hans-Simon
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