Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
seine Feldzüge gegen die Skrälinge und gegen Bornheld, erzählte
man sich besonders gern die von der Frau mit dem rabenschwarzen Haar an seiner Seite, die den magischen Bogen der Ikarier trug und von einem Rudel zauberischer
Hunde auf Schritt und Tritt begleitet wurde.
»Aschure?« frage Faraday verwirrt Ogden, der neben
ihr saß. »Ist das nicht eine seiner Befehlshaberinnen?«
»Äh, ja«, antwortete der Mönch voller Unbehagen.
»Aschure befehligt die acharitischen Bogenschützen in
Axis’ Armee. Und so lange der Krieger, Belial und Magariz sich in Karlon aufhalten, gebietet sie stellvertretend
über die ganze Streitmacht.«
»Aber ihr gleich das ganze Gebiet im Osten zu übertragen?« schüttelte Faraday den Kopf. »Sicher wäre ich
doch besser für diese Stellung geeignet. Schließlich stehe
ich doch im Bund mit der Mutter, oder etwa nicht?«
Ogden errötete. »Wie Axis eben ausführte, meine Liebe, hat Aschure unter allen drei Völkern gelebt, und in
seiner Armee genießt sie bei allen Verbänden das allergrößte Ansehen. Ich halte sie für eine sehr gute Wahl,
Faraday.«
Die Königin lehnte sich stirnrunzelnd auf ihrem Stuhl
zurück, während Aschure mit leichenblassem Gesicht
ihren Sohn zu Sternenströmer bringen ließ und sich währenddessen erhob. Als die junge Frau ihr Kleid glattstrich, erkannte Faraday, daß sie schwanger war.
Der gewölbte Leib fiel Axis ebenfalls in diesem Moment auf, und er starrte Aschure verwirrt an. Warum?
Warum hatte sie ihm noch nichts davon gesagt?
Sie betrat souverän die Empore, nahm seine Hand und
sah ihm in die Augen.
»Warum?« flüsterte er.
»Ich wollte Euch nicht hindern, das zu tun, was Ihr
unbedingt tun mußtet. Wenn Ihr gewußt hättet, daß ich
wieder schwanger bin«, sie warf einen kurzen Seitenblick
auf Faraday, »hättet Ihr vielleicht gezögert, der Prophezeiung zu gehorchen.«
Er konnte nur auf ihren Bauch starren. Selbst wenn es
Aschure gelungen sein mochte, ihre Schwangerschaft bis
jetzt vor ihm verborgen zu halten, warum hörte er dann
noch nicht das Blut seines zweiten Kindes? Caelums Ruf
hatte der Krieger sofort nach seiner Rückkehr aus der
Unterwelt vernommen.
Axis wurde sich bewußt, daß er sie schon seit längerer
Zeit anstarrte. »Aschure, ich schulde Euch viel. Während
der vergangenen letzten Monate habt Ihr mir soviel an
Freundschaft und Unterstützung gegeben, daß ich befürchten muß, mich niemals für alles bei Euch erkenntlich zeigen zu können. Ihr habt mir mein Wappen
geschenkt, die blutrote Sonne auf goldenem Grund, und
Ihr habt mit größter Tapferkeit mit meinen anderen Offizieren gekämpft. Doch habt Ihr auch unter den Ikariern
und Awaren gelebt. Ihr kennt also deren Anschauungen
und wißt auch, welche Hindernisse beim engen Zusammenleben der drei Völker entstehen können. Das neue
Amt eines Wächters des Ostens bringt also eine besonders große Verantwortung mit sich und ist von enormer
Bedeutung. Aschure, seid Ihr bereit, mir diese Last abund diesen Posten anzunehmen?«
»Mit Freuden, Sternenmann!«
Isgriff, Belial und Magariz blickten wie eine Reihe
anderer fragend nach vorn zur Empore. Sie zweifelten
nicht an der Richtigkeit von Axis’ Entscheidung – in
ihren Augen würde Aschure eine tüchtige Wächterin des
Ostens abgeben –, aber er hatte nicht von ihr verlangt,
ihm Treue und Achtung zu schwören. So etwas konnte
ein Herrscher nur bei jemandem auslassen, der sich …
der sich mit ihm auf gleicher Stufe befand. Aber er hatte
doch auch Freierfall, den neuen Thronerben der Ikarier,
dazu aufgefordert.
Faraday, in politischen Dingen natürlich genauso versiert, stellte sich ähnliche Fragen wie die hohen Herren.
Warum mußte diese junge Frau dem Sternenmann nicht
Treue und Achtung schwören?
»Aschure, Wächterin des Ostens, Ihr erhaltet keine
Ländereien. Doch will ich Euch mit einem Sitz ausstatten, den Ihr bis zu Eurem Lebensende behalten und bewohnen dürft. Doch nach Eurem Tod wird er an mich
zurückfallen. Aschure, ich übertrage Euch den Narrenturm, damit Ihr darin nach eigenem Belieben schalten
und walten könnt.«
»Oh«, keuchte sie nur, und der Blick in ihren Augen
war ihm Dank genug.
Faraday konnte sie nur anstarren. Diese Frau muß ich
unbedingt besser kennenlernen, wenn ich mit ihr zusammen die alten Wälder von Tencendor wieder neu erschaffe.
Aschure kehrte auf ihren Platz zurück. Ihr wurde ein
wenig ängstlich zumute, wenn sie daran dachte, welch
ungeheure Aufgabe ihr da
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