Der Sternenwald
sieben Sonnen zu sehen, aber die Lichtquelle in seinem Innern leuchtete viel heller.
Die Arme und Beine zitterten, was auf die Wirkung des Gifts zurückging, aber der grässliche Tumorschmerz löste sich zu bleierner Benommenheit auf. Die wuchernden Invasoren in Hirn und Rückgrat schienen zuerst getötet worden zu sein. Das war eine große Erleichterung. Hinter Cyroc’hs Augen wurde das Licht heller, strahlte in seinen Knochen wie der Kern einer Sonne.
Der Weise Imperator atmete zum letzten Mal und starb mit einem Lächeln in seinem engelhaften Gesicht.
118 ERSTDESIGNIERTER JORA’H
Die Agonie des Verlustes traf Jora’h, als er an der Andockplattform einer der Palastkuppeln stand und die letzten Vorbereitungen dafür traf, Ildira zu verlassen.
Der Erstdesignierte hatte ein ausreichend großes Schiff sowie einen bereitwilligen Kommandanten und die notwendige Splitter-Crew für einen schnellen Flug nach Dobro gefunden. Die Vorstellung, dass Nira über all die Jahre hinweg gelitten hatte, bereitete ihm tiefen Kummer. Der Weise Imperator hatte nichts unversucht gelassen, ihn auf Ildira festzuhalten und zu verhindern, dass er den Planeten verließ, aber Jora’h wollte sich einfach nicht zur Vernunft bringen lassen.
Er musste Nira unbedingt retten. Er wollte sie in die Arme schließen und sie um Verzeihung bitten für das, was sie hinter sich hatte. Jora’h begriff, dass er rasch handeln musste, bevor sein Vater spürte, was er plante.
Als er Wächter aus den Lifts am anderen Ende der Plattform kommen sah, wusste er, was sie wollten. Die Thism-Verbindung hatte ihn verraten und Cyroc’h beabsichtigte, ihn erneut aufzuhalten. Aber Jora’h schwor sich, Nira diesmal nicht im Stich zu lassen.
»Beeilung!«, rief er den Besatzungsmitgliedern des Schiffes zu, als sie über die Rampe liefen.
Und plötzlich glaubte er, ihm würde das Herz aus der Brust gerissen.
Jora’h taumelte und stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus. Pein und Desorientierung durchzuckten ihn wie ein Blitz. Nie zuvor in seinem Leben hatte er eine solche Leere empfunden, einen Riss im Zentrum seines Selbst.
Von einem profunden Schock erschüttert wankte der Erstdesignierte und versuchte, das Gleichgewicht zu wahren. Der Kommandant des Schiffes taumelte ebenfalls und sank auf die Knie. Alle Crewmitglieder schnappten nach Luft. Einige von ihnen fielen zu Boden und krümmten sich von Qualen heimgesucht zusammen.
Das ganze ildiranische Universum war plötzlich auf den Kopf gestellt.
Verwirrtes Jammern kam von vielen Balkons des Prismapalastes. Pilger, Beamte und Adlige gaben ungläubige Schreie von sich. Die gerade auf der Plattform eingetroffenen Wächter blieben abrupt stehen und schwankten.
Das Thism war zerrissen. Die Seelenfäden, verwoben zu einem dichten Gespinst, das alle Ildiraner miteinander verband, strafften sich, zerfransten und gaben nach. Die Lichtquelle verschwand.
»Nein!«, entfuhr es Jora’h, der sofort verstand, was geschehen war. »Der Weise Imperator ist tot!«
Unsicher setzte er einen Fuß vor den anderen und kehrte in den Prismapalast zurück. Sein langes Haar umwogte den Kopf. Er sah nichts und dachte an nichts, bis er die Kontemplationskammer seines Vaters erreichte.
Der hässliche Leibwächter Bron’n stand vor der verschlossenen Tür, in der einen Hand sein Kristallschwert. Aber er wirkte wie in sich zusammengesunken und hielt das Schwert mit der Kraftlosigkeit eines müden Alten. In Bron’ns Augen zeigte sich ein vorwurfsvoller Glanz, als er Jora’h ansah, und er zeigte seine spitzen Zähne.
»Was ist geschehen? Wo ist mein Vater?«
»Er befahl mir, hier stehen zu bleiben und auf Sie zu warten.« Bron’n holte zischend Luft. »Er forderte mich auf, niemanden eintreten zu lassen, abgesehen von Ihnen. Er wusste, dass Sie kommen würden.«
Jora’h starrte den Leibwächter ungläubig an, als er die Tür öffnete. »Er ist freiwillig aus dem Leben geschieden? Und Sie haben ihn nicht daran gehindert, obwohl Sie wussten, was er vorhatte…?«
»Ich diene dem Weisen Imperator«, sagte Bron’n und klammerte sich an diese Worte, als wären sie ein Anker. »Ich stelle seine Anweisungen nicht infrage.«
Jora’h betrat die Kontemplationskammer und sah die bleiche, weiche Masse seines Vaters im Chrysalissessel. Im Tod wirkte Cyroc’h wie eine riesige graue Schnecke, schien nur aus Fettwülsten zu bestehen. Ganz offensichtlich hatte es den Weisen Imperator viel Kraft gekostet, sich bis zum Ende
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