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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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welche Konsequenzen sich aus deinem Handeln ergeben. Wenn du tatsächlich ein ildiranischer Messias werden sollst, so darfst du nicht blind den Befehlen von Leuten gehorchen, die Dinge vor dir verbergen.«
    Zögernd streckte Osira’h ihren schlanken Arm durch den Zaun. »Ich höre bereits einige deiner Gedanken. Zeig sie mir alle.«
    Nira blinzelte. »Du kannst alle Informationen von mir aufnehmen? Direkt?«
    »Ich glaube, ich bin dazu imstande. In mir sind deine Fähigkeiten und die meines Vaters vereint.«
    Die Lippen der Frau formten ein sonderbares Lächeln. »Vielleicht ist es so wie beim Zugriff auf die Informationen des Weltwaldes. Aber wir haben keinen Schössling, der uns hilft. Das Band zwischen Mutter und Tochter muss genügen.«
    Osira’h berührte die Haut ihrer Mutter, die Stirn, die Schläfen. »Es ist anders als bei der Ausbildung, aber der Designierte wollte immer, dass ich so etwas versuche und neue, ungewöhnliche Kommunikationsmethoden ausprobiere.« Sie atmete tief durch und sprach dann wie bei der Wiederholung eines Mantras. »Lass Wissen, Erinnerungen und Informationen in deinem Selbst wie kühles Wasser sein und ich werde es wie ein trockener Schwamm aufnehmen. Lass mich die Wahrheit in deinem Herzen erkennen und sie zu meiner eigenen machen.«
    Nira griff so nach der Hand ihrer Tochter, als fürchtete sie, das Mädchen könnte es sich anders überlegen. Die grüne Priesterin presste die kleine Hand an ihren Kopf, öffnete ihr Bewusstsein und gab alle ihre Erinnerungen und Gedanken frei – Osira’h nahm sie auf. – Als der Fluss begann, offenbarten sich dem Mädchen Details: die ersten Bilder von Jora’h, die wundervolle Zeit, die ihr Vater und ihre Mutter im Prismapalast verbracht hatten. Osira’h hatte sich immer mehr Informationen über Ildira gewünscht, doch der Dobro-Designierte war nie darauf eingegangen, weil er solche Dinge für unwesentlich hielt.
    Osira’h sah die Liebe, die Nira und ihr Vater teilten, hörte, was sie sich gegenseitig versprochen hatten… und begriff schließlich den Verrat des Weisen Imperators und des Dobro-Designierten. Otema hatte man umgebracht, weil sie zu alt fürs Zuchtprogramm gewesen war. Nira hatte man in eine dunkle Zelle gesperrt, bis sich herausstellte, dass sie ein Kind des Erstdesignierten in sich trug – Osira’h. Und nach der Geburt ihrer Tochter hatte Nira nur einige Monate mit ihrer kleinen Tochter verbringen können, bevor die Ildiraner ihr das Kind wegnahmen und es so aufwachsen ließen, wie sie wollten, mit einem verzerrten Bild von der Wirklichkeit.
    Osira’h war unersättlich und nahm immer mehr in sich auf, auch die schrecklichen Einzelheiten der wiederholten Vergewaltigungen und erzwungenen Schwangerschaften. Plötzlich sah das Mädchen die Wahrheit hinter Udru’hs trockenen Worten.
    Sie erfuhr auch, welche Freude es bereitete, dem Weltwald zu dienen. Sie spürte die Aufregung beim Kontakt mit dem Netzwerk der intelligenten Bäume, betrachtete Bilder der erstaunlichen Dinge, die Nira auf Theroc und in Mijistra gesehen hatte. Sie wusste, wie glücklich ihre Mutter einst gewesen war und wie viel sie verloren hatte, als sie auf Dobro zu einer Gefangenen wurde, zu einem Opfer von Udru’hs Experimenten.
    Als die Flut der Gedanken zu einem Rinnsal schrumpfte, wusste Osira’h genau, wer ihre Mutter war. Sie trug all das in sich, was Nira erlebt, gedacht und gefühlt hatte. Jede einzelne Erkenntnis hallte wie ein Donnerschlag durch ihren mentalen Kosmos.
    Die ildiranischen Oberhäupter waren nicht die Helden, für die sie sie immer gehalten hatte. Ihre Aufgabe, mit den Hydrogern zu kommunizieren und das Reich zu retten, war nicht das altruistische Ziel, das ihr der Dobro-Designierte beschrieben hatte.
    Völlig erschöpft sank Nira auf die Knie, doch ihr Gesicht zeigte ein erleichtertes Lächeln darüber, etwas Wichtiges geleistet zu haben. Osira’h war wie erstarrt, die Hand noch immer am Kopf ihrer Mutter.
    Bevor das Mädchen etwas sagen konnte, schnappte Nira plötzlich nach Luft und wich fort. Osira’h sah ihre Furcht und auch den Grund dafür.
    Zwei Ildiraner des Wächter-Geschlechts kamen aus dem hell erleuchteten Lager, traten in die Schatten und näherten sich dem Zaun. »Nira Khali, wir kommen wegen Ihnen«, sagte einer der beiden Soldaten. »Der Designierte gab uns strikte Anweisungen.«
    Ein dritter Wächter kam aus der Richtung der Stadt und ging mit langen, zielstrebigen Schritten auf das Kind zu. »Du darfst deine

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