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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin J. Anderson
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seiner Abwesenheit. Nira Khali war ein gefährliches ungelöstes Problem, so wie zuvor auch die Burton. Udru’h konnte nicht zulassen, dass sein Bruder sie zurückbekam. Das hätte alles ruiniert.

123 OSIRA’H
    Der telepathische Ruf war so stark, dass er das Herz des Mädchens erreichte, seine Gedanken fesselte und es selbst in den stillsten Stunden der Dobro-Nacht weckte.
    Osira’h war erschöpft und allein. Nach dem schockierenden Tod des Weisen Imperators hatte sich der Dobro-Designierte auf den Weg nach Ildira gemacht und bei den Lehrern und Instruktoren die Anweisung hinterlassen, die Übungen mit ihr fortzusetzen und noch intensiver zu gestalten. »Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Osira’h muss bereit sein, ihre Verantwortung wahrzunehmen.«
    Aber in dieser Nacht, als sie in der Residenz des Designierten allein war, vernahm sie eine sehnsuchtsvolle Stimme in ihrem Kopf, die sie ihrerseits mit Sehnsucht erfüllte. Es war ein Ruf des Blutes, der Liebe und des Glaubens, ganz anders als all jene Stimmen, die sie bisher mithilfe ihrer besonderen telepathischen Fähigkeiten gehört hatte. Sie hatte die andere Präsenz schon einmal gespürt, vor nicht allzu langer Zeit, während der Brände, aber der Designierte hatte sie zu aufmerksam im Auge behalten und dadurch verhindert, dass sich Osira’h die Zeit für eine mentale Suche nahm.
    Aber jetzt, ohne das schimmernde Sicherheitsnetz des Thism, konnte Osira’h klarer denken und mehr sehen. Die seltsame Botschaft war lauter und leichter zu verstehen. Sie erinnerte an etwas vor langer Zeit, an Hände, die sie gehalten und gestreichelt hatten.
    Wie das Grollen eines fernen Gewitters wiederholte sich der Ruf und zerrte so an Osira’h, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.
    Sie konnte nicht auf die Rückkehr des Designierten warten und ihn um Rat bitten – alles in ihr drängte danach, jetzt sofort eine Antwort zu finden. Sie musste feststellen, was es mit diesem Ruf auf sich hatte und von wem er stammte.
    Das Mädchen besann sich auf die mentale Ausbildung, um das Problem zu lösen. Udru’h und die Lehrer hatten Osira’h beigebracht, wie man den Geist benutzte, und jetzt brauchte sie ihre besonderen Fähigkeiten mehr als jemals zuvor. Sie konzentrierte die telepathische Kraft, die auf ihre gemischte Abstammung zurückging: Die eine Hälfte konnte mithilfe ildiranischer Gene auf das Thism zugreifen, die andere war wie bei einer grünen Priesterin zum Telkontakt imstande. Es gab niemanden sonst, der dieses Potenzial in sich vereinte.
    Umgeben von Glänzern setzte sich Osira’h in ihrem Bett auf, sah sich im hell erleuchteten Zimmer um und blickte dann zum dunklen Fenster. Dort draußen. Sie öffnete ihr Selbst dem Ruf, fühlte Sehnsucht… nah, persönlich…
    Er kam aus dem Zuchtlager. Die Antwort war klar und offensichtlich. Jemand in der Nähe, eine Person, die fast ihre Hoffnung aufgegeben hatte.
    Osira’h trat ans Fenster heran, konnte jedoch kaum etwas in dem beleuchteten Lager erkennen. Sicherheitslampen leuchteten über den Baracken und hielten die Nacht von ihnen fern. Das Mädchen begriff, dass es nach draußen gehen musste, wenn es mehr erfahren wollte. Die fremde Person wünschte sich etwas so sehr, dass sie nicht nur Osira’hs Gedanken berührte, sondern auch ihr Herz.
    Vor seiner Abreise hatte ihr der Dobro-Designierte strengstens verboten, die Residenz zu verlassen und zum Zuchtlager zu gehen. Voller Aufregung angesichts ihrer überraschenden Unabhängigkeit traf Osira’h eine Entscheidung. Rasch streifte sie einfache Kleidung über, schlich an den nichtsahnenden Hauswächtern vorbei und eilte draußen durch hell erleuchtete Straßen.
    Die Sterne am Himmel wirkten wie Diamanten auf schwarzem Samt, tausende von kleinen Lichtern. In den Lücken zwischen Gebäuden hatten sich Ruß und Asche angesammelt, Erinnerungen an die Brände. Der davon ausgehende Geruch kitzelte in Osira’hs Nase, als sie den Weg fortsetzte. Im Zuchtlager gab es nicht viele Wächter, und die menschlichen Familien hatten sich längst in den Gemeinschaftsbaracken schlafen gelegt. Osira’h konnte mühelos ungesehen bleiben.
    Sie hatte nie infrage gestellt, was in jenen Gebäuden geschah. Der Designierte hatte ihr versichert, dass all dies notwendig war, dass sie selbst den Höhepunkt jahrhundertelanger Forschung und Zuchtexperimente darstellte. Ihre Fähigkeiten rechtfertigten letztendlich alles.
    Osira’h bemerkte die Silhouette einer Frau an einer Zaunecke.

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