Der Sternenwald
andere als unüblich, dass er nichts von ihnen hörte, trotz der Transport- und Kommunikationsbeschränkungen durch den Hydroger-Krieg.
Doch fünf Jahre… Das war zu lang. Und diesmal leistete ihnen sogar ein grüner Priester Gesellschaft…
Anton hatte sich mit mehreren Anfragen an Hanse-Repräsentanten gewandt, aber er war nur ein Forscher in einer unbedeutenden Universitätsabteilung, und deshalb schenkte man seinen Briefen keine Beachtung.
Er trat zum Fenster, öffnete die Jalousie und blickte über den funkelnden Ozean hinweg. Zwar gab es ambientale Kontrollen im Universitätsgebäude, aber Anton ließ das Fenster offen, damit er den kühlen Meereswind riechen konnte, der über den parkartigen Distrikt von Santa Barbara hinwegwehte.
Studenten hatten die fünf sonderbaren Gebäude der Fakultät für ildiranische Studien entworfen. Sie zeichneten sich durch eine ungewöhnliche Geometrie aus, sollten mit viel Glas und facettierten Flächen an Mijistra erinnern, die Hauptstadt von Ildira. Rotierende Photonenmühlen projizierten Regenbogenfarben auf die Bürgersteige. Der Sonnenschein von Südkalifornien leistete einen eigenen Beitrag zu der ildiranischen Illusion, obwohl selbst der wärmste und heiterste Tag nicht an den Glanz von sieben Sonnen herankam.
Teilweise unter Ausnutzung seines legendären Namens hatte Anton einen respektierten Posten in der Abteilung für epische Studien bekommen. Früher hatte er seine Eltern zu ihren archäologischen Ausgrabungsstätten begleitet und war dabei von einem Lehrer-Kompi unterrichtet worden. Manchmal behandelten Margaret und Louis ihr einziges Kind mehr wie einen Kollegen als einen Sohn.
Anton war dürr und hielt nichts von Mode und dergleichen. Er zog an, was sich gerade in Reichweite befand, ob es zu ihm passte oder nicht. Das Haar trug er kurz, damit es möglichst wenig Mühe machte. Ständiges Lesen hatte zwei Retina-Operationen nötig gemacht; aus reiner Angewohnheit kniff er noch immer ein wenig die Augen zusammen.
Jahrelang hatte es so ausgesehen, als würde Anton in die Fußstapfen seiner Eltern treten. Zwar liebte er alte Rätsel, aber sein eigentliches Interesse galt Legenden und nicht so sehr historischen Fakten. Anton hatte zwei Doktortitel erworben, in den Fakultäten für tote Sprachen und komparative kulturelle Mythologie. Er tat sich insbesondere beim Studium jener Teile der Saga der Sieben Sonnen hervor, die die Ildiraner der Erde überlassen hatten.
Anton kannte viele Volkssagen der Erde auswendig, die meisten von ihnen in ihren ursprünglichen Sprachen: isländische Sagen, Homers Epos, das japanische Heike Monogatari, die komplette Artus-Sage in allen ihren Variationen, das sumerische Gilgamesch-Epos und andere Geschichten, die nie mit der notwendigen Sorgfalt übersetzt worden waren.
Wenn er doch nur in der Lage gewesen wäre, mit ildiranischen Erinnerern zusammenzuarbeiten…
Viermal hatte er sich in Mijistra beworben, seine Briefe unter anderem an den Weisen Imperator und den Erstdesignierten gerichtet. Sie wiesen auf sein Interesse an epischen Geschichtszyklen und den Wunsch hin, nach Ildira zu kommen und sich dort mit der Saga zu befassen – Antons Kenntnisse der irdischen Mythologien mochte den Ildiranern neue Einblicke in ihre Saga der Sieben Sonnen ermöglichen. Und die ildiranischen Historiker interessierten sich doch bestimmt für die Legenden der Menschheit, oder? Beide Völker würden von einer derartigen Kooperation profitieren.
Doch Antons Bewerbungen waren zweimal unbeachtet geblieben. Die dritte hatte man abgelehnt und die vierte, vor einem Jahr übermittelt, war im Hydroger-Durcheinander verschwunden. Ebenso wie die Anfragen in Hinsicht auf seine Eltern. Gab es dort draußen im Spiralarm niemanden mehr, der zuhörte?
Also hatte er beschlossen, stattdessen einen eigenen Mythos zu schaffen, indem er die Biografie seiner Eltern schrieb. Er ordnete die Notizen, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten, sortierte sie nach Themen, von trockenen biografischen Daten bis zu Forschungserfolgen, von der routinemäßigen und doch bemerkenswerten archäologischen Arbeit auf der Erde bis zu den Ausgrabungen auf anderen Planeten.
Aber eine Geschichte brauchte einen Abschluss. Ohne Informationen darüber, was auf Rheindic Co geschehen war, fühlte sich Anton nicht imstande, die biografische Arbeit zu beenden.
Er hörte das Klingeln des Türsignals, drehte den Kopf und sah einen messingverkleideten Kompi in der Tür seines Büros. Die
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