Der Sternenwald
dass er nichts mit dem Virus zu tun hat, das die Ildiraner erblinden ließ.«
Auf einem mobilen Projektionsschirm zeigte sie mehrere elektronenmikroskopische Aufnahmen – seltsame Flecken und sonderbare Strukturen wurden sichtbar. Davlin erkannte menschliche Blutzellen und große, unbekannte Massen. »Die Krankheit wird von einem amöboiden Einzeller hervorgerufen, der nicht so widerstandsfähig ist wie ein Virus oder ein Bakterium. Bei Menschen befällt er vor allem Haut und Lungen. Vermutlich befindet er sich im Wasser oder in etwas, das wir anbauen, als natürlicher Teil des Ökosystems von Crenna.«
»Wird er uns alle töten?«, fragte jemand.
»Nein, aber vielleicht müssen wir uns an die orangefarbenen Flecken gewöhnen.« Das Lächeln der Ärztin wuchs ein wenig in die Breite. »Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Haut und eine Melanin-Verfärbung. Möglicherweise permanent, aber nicht gefährlich.«
»Mein Arkady ist tot«, klagte eine Alte.
»Arkady hatte schon vor der Infektion vernarbtes Lungengewebe und war daher besonders anfällig. Die orangefarbenen Flecken sind etwa so gefährlich wie eine Lungenentzündung. Aber man kann die Krankheit behandeln, mit einem Mittel gegen Amöben. Ich habe einen kleinen Vorrat, aber nicht genug, um alle Siedler zu behandeln.«
»Nun, wir können nicht einfach mit einem Rezept zur nächsten Apotheke gehen und das Medikament abholen«, brummte ein Kolonist.
Ein Mann namens Branson Roberts – eines der neuesten Koloniemitglieder – stand auf. »Ich bin dazu imstande.« Er war schlank und hoch aufgeschossen, hatte helle Haut, große, schwielige Hände und einen pusteblumenartigen Schopf aus grauweißem Haar.
Der Mann war mit einem kleinen Handelsschiff gekommen – neue Rumpfplatten wiesen auf eine Änderung des Namens und der Seriennummer hin. Entweder hatte Roberts das Raumschiff gestohlen oder er versteckte sich vor etwas. Doch die Crenna-Kolonisten hießen jeden mit einem privaten Schiff willkommen, der heimliche Flüge unternehmen und Schwarzmarktwaren beschaffen konnte.
»Mein Schiff hat noch genug Treibstoff für zwei weitere Flüge, vorausgesetzt die Reisen sind nicht zu weit.« Er schob die Hände in die Taschen des Overalls und sein Lächeln wirkte ansteckend. »Ich habe gute Beziehungen innerhalb der Hanse.«
Davlin nickte unmerklich. Kann ich mir denken.
Zwei Tage später hatten die Ärzte von Crenna die schlimmsten Fälle der orangefarbenen Flecken behandelt und geheilt. Davlin arbeitete am Filtrationssystem der Wasserversorgung und fügte weitere Komponenten hinzu, um die Amöbe aus dem Trinkwasser fern zu halten. Die rasche Rekonvaleszenz der Erkrankten beruhigte die übrigen Siedler.
Branson Roberts wanderte in der Kolonie umher und stellte eine »Einkaufsliste« zusammen – er wollte mit vollen Frachträumen und nicht nur mit dem Medikament gegen die Amöbe zurückkehren. Wenn er schon wertvollen Treibstoff für den Sternenantrieb verbrauchen musste, um dringend benötigte Arzneien zu holen, so sollte sich der Flug wenigstens lohnen.
Die nächste Hanse-Welt war ein beliebtes Ziel reicher Touristen. »Auf Relleker möchte man vermeiden, dass die verwöhnten Touristen auch nur an Kopfschmerzen leiden«, hatte Roberts gesagt. »Dort gibt es alle nur erdenklichen Medikamente.«
Davlin traf ihn am kleinen Raumhafen und gab dem Mann eine Liste von Teilen, die er für die Pump- und Filtrationsstationen brauchte. Eigentlich hätte er die Gelegenheit nutzen sollen, dem Vorsitzenden Wenzeslas einen Bericht zu schicken, aber ihm lag nichts daran, die Hanse an ihn zu erinnern. Es gefiel ihm auf Crenna, und inzwischen glaubte er fast selbst daran, ein einfacher Siedler zu sein. Aus den Augen, aus dem Sinn – so hoffte er jedenfalls.
Die Ildiraner hatten Crenna »eine Welt der Geräusche« genannt. Kristallklares Wasser blubberte aus Quellen und plätscherte über Felsen. Samengras klapperte wie natürliche Rasseln im Wind. Insekten summten und surrten, am Tag ebenso wie in der Nacht, leisteten ihren Beitrag zu einem angenehmen, musikalischen Hintergrundgeräusch. An den Hängen der niedrigen Hügel wuchsen dornige Flötenholzbäume. Einheimische Käfer fraßen Löcher hinein und der ständige Wind wirkte wie der Atem eines Musikanten.
Es war ein angenehmer Ort, viel besser als die anderen Welten, auf denen er tätig gewesen war.
Bevor Roberts nun an Bord seines Schiffes kletterte, deutete ein Annäherungsalarm darauf hin, dass ein anderes
Weitere Kostenlose Bücher