Der Stierkampf
Omoto, Tsugami und acht Journalisten erschienen, die ebenfalls mit der Veranstaltung befaßt waren. Wahrend des Essens erlebte Tsugami ein höchst unerwartetes Schauspiel. Hana Mitani, die Züchterin des Mitani-Stieres, dem hohe Siegeschancen gegeben wurden, stieß mit einem Mal, hysterisch aufschreiend, das Tischchen vor sich um und versetzte alle Anwesenden in die peinlichste Verwirrung. Sie war ungefähr vierzig Jahre alt, ein wenig dicklich, doch schick gekleidet, man sah ihr die bäurische Herkunf nicht im geringsten an.
»Wie kann ich«, schrie sie, »aus einem SakeSchälchen trinken, das mir ausgerechnet Herr Kawasaki reicht? Ich setze doch fast mein Leben für den Stierkampf morgen ein! Ich und auch mein Mann und unsere Kinder in der Heimat, wir alle beten für diesen unseren Sieg!«
Sie verzog erregt ihr von dem Genuß etlicher Schälchen Sake gerötetes Gesicht und blickte, während sie sich taumelnd an die Papierschiebewand lehnte, über die Runde. Sie war keineswegs betrunken. Die leidenschafliche Entschlossenheit, daß ihr Stier um jeden Preis siegen müsse, hatte ihre Nerven dermaßen strapaziert, daß sie den Eindruck einer Irren machte. Als ihr dann der Eigentümer des Kawasaki-Stiers, der ebenso wie der ihre hervorragende Siegeschancen hatte, ein SakeSchälchen zum Zutrinken überreichte, hatte sie, die ja nun doch eine Frau war, die plötzlich in ihr aufsteigende Feindseligkeit nicht mehr beherrschen können.
»Na ja –, nachdem in der Zeitung von diesem Stierkampf soviel Aufebens gemacht wird, sind natürlich auch die Eigentümer der Tiere in ungeheurer Spannung!«, sagte Tashiro zu Tsugami, als das Sake-Schälchen, das er, um die aufgeregte Gesellschaf zu beruhigen, kreisen ließ, bei jenem angelangt war. Da wurde sich Tsugami plötzlich bewußt, daß es ja hier noch eine Welt gab, deren Existenz er bis jetzt ganz und gar vergessen hatte. Er hatte die wesentlichste Seite dieses Stierkampfes vollkommen übersehen! Und nicht nur er, auch Omoto und ebenso Miura hatten vergessen, daß hier ein Kampf zwischen zwei Lebewesen ausgetragen wurde. Selbst Tashiro, der Tsugami dies erklärte, war es bis zu diesem Augenblick nicht anders ergangen.
Tsugami öffnete im Wachtdienstraum des zweiten Stocks der Zeitung die Augen. Er hatte das Gefühl, daß es draußen regnete, sprang sofort aus dem Bett, schob mit einem Ruck die Glasscheiben nach beiden Seiten zurück und streckte die Hände in die kalte Luf hinaus. Feiner Regen schlug in Tropfen auf seine nackten Arme. Es hatte vor nicht allzu langer Zeit offenbar zu regnen angefangen. Er sah auf die Uhr, es war fünf. Da er nur im Nachtgewand nun schon geraume Weile am Fenster stand, ließ ihn die Kälte des anbrechenden Morgens plötzlich am ganzen Körper erschauern. Er zog einen Mantel über, stieg, sich zurechttastend, die dunkle Treppe ins Redaktionsbüro des ersten Stockwerks hinunter und knipste die in Reichweite befindliche Lampe auf seinem Arbeitstisch an. Hierauf nahm er den Telefonhörer ab und erkundigte sich bei der Wetterwarte nach der Voraussage für den heutigen Tag. Die schlechtgelaunte Stimme des diensttuenden Beamten, der durch ihn so ungewöhnlich früh geweckt wurde, antwortete barsch »Abwechselnd klar und bewölkt«, und schon wurde auf der anderen Seite der Leitung das Gespräch beendet.
Tsugami kehrte in den Wachtdienstraum zurück, stieg noch einmal ins Bett, aber er konnte nicht mehr einschlafen. Das Geräusch von Hagelregen nahm unversehens immer mehr zu, und hin und wieder schlug dieser auf die Fensterscheiben in der Nähe des Betts. Um sieben Uhr stand Tsugami auf. Kurz darauf rief Omoto an:
»Das ist ja eine furchtbare Bescherung!« »Wenn es nur schwach regnet, sollten wir den Stierkampf aber unbedingt stattfinden lassen! Bis neun Uhr sind es noch zwei Stunden!«, antwortete Tsugami, er konnte sich Omotos Ärger und nervöse Ungeduld deutlich vorstellen. Um acht Uhr kamen die Journalisten zusammen, die mit dieser Veranstaltung befaßt waren. Der Regen nahm dann und wann ab, verstärkte sich aber immer wieder. Man beschloß, es sollten alle Anwesenden jedenfalls ins Büro des Hanshin-Baseballstadions fahren, und sie stiegen in fünf Wagen. Auch an den Fenstern der Autos, die die HanshinReichsstraße entlang fuhren, floß unauförlich der Regen herab.
Als sie im Büro ankamen, schüttete dort Tashiro, der seinen Mantel, von dem der Regen nur so heruntertropfe, an den Haken gehängt hatte, gewaltige Mengen Tee in sich
Weitere Kostenlose Bücher