Der Stierkampf
machen Sie es sich bequem!«
Er drängte ihn, ein paar Gläser Whisky zu leeren, und schüttete selber fünf, sechs davon in der ihm eigenen Art so abrupt die Kehle hinunter, daß man hätte meinen können, es handle sich um Medizin. Kaum war der Whisky in seine Adern gedrungen, wurde er zusehends geschwätziger. Tsugami erwiderte, er könne sich heute leider nicht sehr viel Zeit nehmen, denn schon übermorgen beginne ja der Stierkampf, doch da sagte Okabe: »Man muß die Arbeit doch seinen Angestellten überlassen! Ihre Pflicht, Herr Tsugami, ist zu planen und anzuordnen. Das reicht! Mehr dürfen Sie gar nicht tun! Ich tue den ganzen Tag über nichts! Und das ist richtig so! Natürlich wäre es aber falsch zu glauben, ich brauchte nicht da zu sein. War ich nicht da, krachte die Firma bald zusammen!« Er lachte unbekümmert.
»Aber ein Journalist …«, gab Tsugami zu bedenken, und darauf meinte Okabe:
»Schön, da mögen die Dinge anders liegen. Sobald Sie aber glauben, Sie müßten unbedingt immerzu geschäfig herumrennen, ist Ihre Unternehmung schon gescheitert. Setzen Sie sich frech in Positur und schmeißen Sie die Arbeit zur Seite! – Sie sollten hier mit mir Whisky trinken!«
Auf seinen Lebensweg zurückblickend, sprach er dann von einigen Grundsätzen, die ihn geleitet hätten. Er hörte sich ganz offensichtlich selber begeistert zu.
»Gut, ich will mit Ihnen trinken …«, erklärte Tsugami schließlich, obwohl ihm in Wahrheit nicht im mindesten danach zumute war, und fuhr dann fort:
»Aber ich würde vorher gern eine für mich wichtige Angelegenheit mit Ihnen besprechen!« »Wie? Wichtige Angelegenheit? Reden Sie!« »Wir brauchen 36o cdm Reis und Hafer und ferner die gleiche Menge Sake!«
Das waren erheblich größere Mengen als tatsächlich benötigt wurden. Für Tsugami handelte es sich aber gleichsam um das Prüfgewicht, mit dem er – gleichgültig wie Okabes Qualitäten waren – die Tiefe dieses Menschen messen wollte, den er so wenig bisher kannte und der ihm seltsam ungreifar vorkam. Er war gespannt, wie Okabe reagieren würde. Nachdem Tsugami ihm genau dargelegt hatte, wofür er das alles brauchte und daß er es möglichst schon bis zum nächsten Mittag ins Büro der Stierkampf-Veranstaltung zugesandt erhalten möchte, das sich in dem Gebäude des Hanshin-Baseballstadions befand, lachte Okabe: »Sie sind wirklich ein ungewöhnlicher Besuch! … Schön, ich werde Ihnen das Gewünschte zur Verfügung stellen!« »Wie hoch sind die Kosten?«
»Meine Firma schenkt Ihnen das als einen Beitrag zu Ihrem Unternehmen! Ich wünsche Ihnen einen guten Erfolg!«
Tsugami erwiderte, damit könnte er unmöglich einverstanden sein, Okabe möge die Summe nennen, die zu bezahlen sei, doch dieser lachte nur großzügig:
»Die Okabe-Firma wird auch dann fett, wenn sie die Neue-Osaka-Abendzeitung nicht verschlingt. Also, damit ist diese ›Angelegenheit beendet! Nun wollen wir trinken! Aus irgendeinem Grund mag ich Sie!«
Tsugami griff entschlossen nach dem Whiskyglas. Er konnte sich bei diesem prächtig gelaunten, kleinen Mann, der da vor seinen Augen den Whisky in sich hineinschüttete, nur schwer vorstellen, daß er skrupellos und ohne ihm, Tsugami, vorher auch nur ein Wort gesagt zu haben für sich Schwarzmarktwaren in die Waggons hatte laden lassen. Okabe rief eine Angestellte herbei und trug ihr auf, Käse zu besorgen, dann sollte sie in einem nahen Restaurant für zwei Personen ein Abendessen bestellen und es bringen lassen. Zwei Stunden lang schwatzten die beiden, während sie fortgesetzt Whisky tranken. Das »Schwatzen« geschah allerdings fast nur durch Okabe. Tsugami hörte ihm halb zu, halb waren seine Gedanken bei dem Stierkampf. Okabe plauderte zunächst von seinen Geschäfen, ging dann zur Politik über und verbreitete sich am Ende mit erschreckender Breite und höchst konfus über Religion, Frauen und vieles andere mehr. Solange er redete, besaßen seine sehr charakteristischen Meinungen und Urteile ein seltsam schimmerndes Leben, doch sobald Tsugami über sie nachsann, verwandelten sie sich fast ausnahmslos in ein anmaßendes, banales Geschwätz. Als Okabe schließlich kaum mehr artikulieren konnte, änderte Tsugami, hierin sich ganz als Journalist erweisend, das Tema und fragte ihn:
»Dreihundertsechzig cdm Reis und Hafer sind eine Riesenmenge, – wie haben Sie sich die eigentlich verschaffen können?«
Das hatte er Okabe schon vorhin fragen wollen. »Na ja – da gibt es mancherlei
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