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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul McAuley
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schroffe Behandlung durch ihre Ausbilder ließen die Jungen enger zusammenrücken. Keiner von ihnen gab Dave #8 die Schuld an dem, was geschehen war; tatsächlich waren sie sogar bemüht, ihn zu beschützen und zu umsorgen. Dave #7 versuchte, einen Witz darüber zu reißen, und sagte, dass irgendwann wohl jeder von ihnen schon einmal davon geträumt hatte, Vater Solomon umzubringen, nachdem dieser sie mit seinem Schockstab malträtiert hatte. Dave #14 hingegen meinte nur knapp, dass Befehle eben Befehle seien und Dave #8 lediglich getan hatte, was von ihm verlangt worden sei. Dave #27 war der Ansicht, dass sie alle ein Herz und ein Verstand seien. Zwar hatte Dave #8 das Messer geführt, mit dem Vater Solomon die Kehle durchgeschnitten worden war, aber jeder von ihnen hätte an seiner Stelle dasselbe getan. Demnach waren sie alle schuldig, und keiner von ihnen hatte mehr Schuld auf sich geladen als der Rest. Außerdem, sagte Dave #27, lag es in ihrer Natur zu töten. »Zu diesem Zweck sind wir geboren worden, und unser ganzes Leben lang wurden wir darauf vorbereitet. Ist der Löwe schuldig, wenn er das Lamm tötet? Nein, denn er folgt lediglich seiner Natur. Und die besteht darin zu töten, während dem Lamm die Rolle der Beute zukommt. Wir sind Löwen, und die Menschen sind unsere Beute.«
    »Selbst wenn das stimmt, dann ist der Feind unsere Beute«, sagte Dave #8. »Und Vater Solomon gehörte nicht zum Feind.«
    »Vielleicht hat er gegen irgendeine Regel verstoßen, von der wir nichts wissen«, sagte Dave #27. »Womöglich hat er etwas getan, das den Erfolg unserer Mission gefährden könnte. Etwas, das ihn genauso gefährlich machte wie den Feind.
Aber wir müssen nicht wissen, was das gewesen ist. Denn wir sind lediglich Arm und Hand, Bruder, und wir gehorchen einem Willen, den wir nicht infrage stellen dürfen.«
    Dave #8 war von den Worten seiner Brüder nicht überzeugt und fand auch keinen Trost darin. Wahrscheinlich hätte tatsächlich jeder von ihnen an seiner Stelle dasselbe getan; dennoch war er derjenige, der ausgewählt worden war. General Peixoto hatte Vater Solomon gebeten, seinen fähigsten Schüler auszusuchen, und dieser hatte sich für ihn entschieden. Nicht weil Vater Solomon ihn für den Besten der Jungen gehalten hätte, sondern weil er geglaubt hatte, der General wolle einen der Jungen töten, um ein Exempel zu statuieren. Und seiner Meinung nach war Dave #8 mit den meisten Fehlern behaftet. Vielleicht hatte er damit sogar Recht gehabt; vielleicht hatte er gewusst, was Dave #8 schon sein ganzes Leben lang vermutet hatte und wogegen er ankämpfte: Dass er tatsächlich anders war, auch wenn er sich die größte Mühe gab, nicht weiter aufzufallen und sich genauso zu verhalten wie seine Brüder. Womöglich hatte Vater Solomon genau das in seinem Gesicht gesehen und sich deshalb für ihn entschieden, ohne zu wissen, dass er kein Opfer auswählte, sondern seinen eigenen Mörder. So war er also gestorben, und Dave #8 musste mit seiner Schuld leben und der wachsenden Gewissheit, dass er nicht der war, der er sein sollte.
    Er gab sich alle Mühe, diesen Makel wettzumachen, indem er sich ganz in das neue Regime des Trainings und der Ausbildung stürzte. Er übte länger und härter als alle anderen und war der Erste, der sich zu Boden fallen ließ, wenn die Ausbilder einen Fehler oder ein Zögern in den Reihen bemerkten und die Jungen zur Strafe eine Runde Liegestütze machen ließen. Er versuchte, seine Brüder auch in
allem anderen zu übertreffen. Er wollte beweisen, dass er sich nicht von ihnen unterschied, indem er der Beste von ihnen wurde.
    Und dann eines Nachts, als er wie gewöhnlich schlafen ging, aber in einem anderen Raum wieder aufwachte, wurde ihm klar, dass ihn nun doch noch die Strafe dafür ereilt hatte, dass er anders war und dass er Vater Solomon getötet hatte. Er war von den übrigen Jungen getrennt worden – er war »verschwunden«.
    Er lag in einem Bett, das höher und weicher war als die schmale Koje, in der er sämtliche Nächte seines Lebens verbracht hatte, in einem kleinen Raum, der von einigen Deckenpaneelen trübe erleuchtet wurde. Seine Hand- und Fußgelenke waren an den Seitengeländern des Bettes festgekettet, und sein Gesicht tat ihm weh. Er verspürte einen dumpfen Schmerz in der Nase, so als sei sie mit Baumwolle ausgestopft worden, und ein Pochen in seinem Kiefer und seinen Wangenknochen. Außerdem juckte ihm furchtbar die Kopfhaut.
    Lange Zeit lag er so da, und

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