Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
nichts geschah. Es spielte keine Rolle. Er hatte gelernt zu warten, und nun, da der schlimmste Fall eingetreten war, waren alle Furcht und Besorgnis von ihm abgefallen, und er spürte nur noch eine tiefe Ruhe in sich. Ihm wurde bewusst, dass das Licht im Raum heller geworden war und ein Mann neben ihm am Bett saß. Er wurde schließlich ganz wach, als der Mann ihn fragte, ob er ihn erkennen würde.
»Ja, Sir. Sie sind Oberst Arrêes. Einer unserer Lehrmeister. Sie haben uns in Psychologie unterrichtet.«
»Ich habe außerdem euer Trainingsprogramm mit entworfen, um damit für meine Sünden zu büßen«, sagte Oberst Arrêes. »Die Art, wie ihr aufgezogen und unterrichtet worden seid, bis … bis sich alles verändert hat.«
Dave #8 wagte zu fragen, ob er gerade bestraft wurde, und Oberst Arrêes lächelte und schüttelte den Kopf. Er war ein stämmiger Mann mit kahlem Schädel und freundlichem Gesicht. Es war merkwürdig, sein Gesicht leibhaftig vor sich zu sehen, statt im Visor eines Avatars.
»Du denkst an das, was mit dem armen Vater Solomon passiert ist«, sagte er. »Aber daran hattest du keine Schuld. Du und Vater Solomon, ihr wart beide in einem Machtkampf gefangen, in dem eine Seite sich gegenüber einer anderen behauptet hat, um die Kontrolle über dieses Projekt zu übernehmen. Aber es spielt keine Rolle, wer die Kontrolle hat, weil das Ergebnis letztlich dasselbe bleibt. Du wirst jetzt bald mit dem letzten Teil deiner Ausbildung beginnen. Von nun an wirst du allein trainieren, denn am Ende wirst du auch allein arbeiten müssen. Und da du bald zu einem echten Einsatz aufbrechen wirst, mussten wir dein Gesicht verändern. Schließlich können wir nicht Spione aussenden, die alle gleich aussehen, nicht wahr? Wie fühlst du dich übrigens?«
»Mir geht es gut, Sir.«
»Deine Wunden werden rasch verheilt sein. Du wurdest einer Operation unterzogen, bei der deine Nase gebrochen und deine Wangen- und Kieferknochen umgestaltet wurden. Nichts Tiefgreifendes. Nur eine geringfügige Gesichtsveränderung, vollkommen routinemäßig. Du heißt jetzt auch nicht mehr länger Nummer acht, Nummer acht. Von nun an wird dein Name Ken Shintaro sein. Hast du verstanden?«
»Ja, Sir. Ich bin Ken Shintaro.«
»Ken Shintaro ist deine Tarnidentität«, sagte Oberst Arrêes. »Ken Shintaro aus Rainbow Bridge, Kallisto. Im letzten Teil deiner Ausbildung wirst du alles über ihn erfahren. Du wirst lernen, wie er zu leben, aber noch wichtiger ist, dass du alles erfahren wirst, was du wissen musst, um den Auftrag zu erledigen,
den wir dir geben werden. Deine Arbeit, deine Mission – das ist es, was dich in Wahrheit definiert. Das wirst du nicht vergessen, nicht wahr?«
»Nein, Sir.«
Dave #8 fragte sich kurz, wie sein neues Gesicht wohl aussah, aber das spielte keine Rolle. Es zählte nur, dass die Fehler, die Vater Solomon in ihm entdeckt hatte, nun hinter der Maske verborgen sein würden, die sie ihm gegeben hatten.
»Ich weiß, dass du uns nicht enttäuschen wirst«, sagte Oberst Arrêes und erhob sich. Er erklärte Dave #8, dass dieser noch viel zu tun hatte, bevor er bereit sein würde, aber im Augenblick sollte er sich einfach ausruhen und gesund werden. In der Tür blieb der Oberst noch einmal stehen und fügte hinzu: »Du wirst wahrscheinlich wissen wollen, wo dein Einsatz stattfinden wird.«
»Ich bin Ken Shintaro aus Rainbow Bridge, Kallisto.«
»Ja, das bist du. Aber du wirst nach Paris fliegen. Paris auf Dione.«
› 2
Die Ingenieure, die die beiden Einmannjäger vorbereiteten, brachen in einen Sturm des Applauses aus, als die Piloten – ein Mann und eine Frau in eng anliegenden Beschleunigungsanzügen -, begleitet von einem Schwarm Ärzte und Offiziere, in die Hangarkapsel kamen. Nacheinander wurden die Nationalhymnen von Großbrasilien und der Europäischen Union abgespielt, und alle versuchten, in der mangelnden Schwerkraft so gut wie möglich Haltung anzunehmen. Ein Avatar, der die Gesichtszüge der Präsidentin von Großbrasilien trug, hielt eine kurze aufgezeichnete Rede, in der es um große Augenblicke der Erkundung und den unbezähmbaren Entdeckergeist der Menschheit ging. Kommandant Gabriel Vaduva schüttelte die Hände der Piloten vor dem Emblem der Operation Tiefensondierung, während Ingenieure und Techniker erneut applaudierten. Jubelrufe und Pfiffe ertönten – ihre Begeisterung war echt, wenngleich sie für die Nachrichtenkanäle choreografiert war. Dann verkündete der Sicherheitsoffizier,
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