Der Stolz der Flotte
Männer auf Gefechtsstationen pfeifen. Wir können das Oberdeck jetzt nicht gefechtsklar machen; es muß also nachher schnell und gut klappen.«
Keverne eilte hinweg, und Broughton fragte ungeduldig: »Wie lange?«
»Eine Stunde höchstens, Sir. Ich gehe noch einen Strich höher an den Wind. Das hilft etwas.«
»Und in drei Stunden ist es so dunkel, daß man nichts mehr sieht«, nickte Broughton grimmig. »Also dann!«
Der Admiral wandte sich zur Kampanje, blieb aber noch einen Moment stehen und sagte ganz sanft: »Aber wenn Sie mir mein Flaggschiff dabei kaputtmachen, Bolitho, dann geht’s Ihnen dreckig, das kann ich Ihnen versprechen!«
Bolitho sah zum Steuermann hinüber. »Einen Strich nach Luv!« Dann zwang er sich dazu, langsam, die Hände auf dem Rücken, an der Luvseite auf und ab zugehen. Wenn der
Euryalu
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etwas passiert, dann geht’s uns allen dreckig, dachte er.
Bolitho hielt sein Glas auf das fremde Schiff gerichtet. Seit es zuerst über der Kimm erschienen war und die
Euryalu
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gefechtsklar gemacht hatte, wartete er auf irgendwelche Anzeichen, daß der Spanier etwas gemerkt hatte; aber das Schiff drüben hielt seinen Kurs und lag nun knapp zwei Meilen entfernt. Wenn die
Euryalu
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auf ihrem jetzigen Kurs weitersegelte, würde der Spanier mit etwa einer Meile Abstand ihr Kielwasser kreuzen.
Keverne hatte das Schiff ganz richtig beschrieben: ein Zweidecker unter allen verfügbaren Segeln, ein schöner Anblick in voller Fahrt; der Schaum spritzte über die knallrot und blau gemalte Galionsfigur bis zur Höhe ihrer bauchigen Fock. Bolitho konnte noch das altmodische dreieckige Besansegel über der reichgeschnitzten Kampanje ausmachen und die Sonnenreflexe auf den Teleskopen der Offiziere, die sie auf die
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gerichtet hatten, wobei sie sich zweifellos die Köpfe darüber zerbrachen, wer sie sei und was sie hier zu suchen habe.
»Langsam kommen wir der Sache näher«, sagte Keverne grimmig. Bolitho schritt zur Achterdecksreling und sah unten einen kräftigen Matrosen inmitten einer schnatternden Gruppe von Gaffern stehen.
»Fertig, Williams?«
Der Mann schielte zu ihm hinauf und grinste unsicher. »Aye, Sir.«
Bolitho nickte. Wohlwollende hatten ihn zweifellos kräftig mit Rum gelabt. Nicht zu kräftig, war zu hoffen, sonst konnte sich die Kriegslist zu einem plötzlichen Begräbnis auf hoher See auswachsen. Bolitho ging wieder nach Luv hinüber, richtete sein Glas auf das fremde Schiff und befahl: »Mr. Keverne, mittleres und unteres Batteriedeck sollen die Steuerbordgeschütze doppelt laden. Sorgen Sie dafür, daß erst auf ausdrücklichen Befehl ausgerannt wird. Wenn auch nur ein Rohr vorzeitig erscheint, sind unsere Freunde auf und davon.«
Keverne winkte einem Midshipman, und Bolitho rief Leutnant Meheux, der das obere Batteriedeck kommandierte. Mit ungewöhnlich düsterer Miene starrte er auf seine Kanonen.
»Keine Angst, Mr. Meheux, Ihre Geschützbedienungen werden bald genug zu tun bekommen. Aber wenn die drüben sehen, daß wir die Persennings abnehmen und laden, ist es mit der Täuschung vorbei.« Meheux faßte an den Hut, aber der Schatten düsterer Enttäuschung hing weiterhin über seinem runden Gesicht.
Allday kam mit Bolithos Degen über das Achterdeck gerannt. Bolitho nahm die Arme hoch, Allday schnallte ihm gewandt das Koppel um und sagte dabei: »Ich habe dem Bootsführer der Jolle gesagt, was Sie von ihm erwarten, Captain, und auch, was er kriegt, wenn er’s verpatzt.« Dabei grinste er schadenfroh.
Bolitho runzelte die Stirn. Der Spanier kam doch weiter achterlich vorbei, als er berechnet hatte. Jetzt mußte gehandelt werden, jetzt oder nie.
»Also los, Williams, über Bord!«
Der riesige Matrose kletterte auf den Backborddecksgang und beugte sich grimmig entschlossen über die Reling.
»Na, der gibt ja ein tolles Schauspiel ab«, murmelte Keverne grimmig. Mit Armen und Beinen um sich schlagend, verschwand Williams in der Tiefe.
»Da geht er hin!« Partridge rannte zurück auf seinen Platz beim Ruderrad.
»Mann über Bord!« Bolitho eilte zu den Netzen, die Besatzung der Jolle ließ die scheinbar anderweitige Beschäftigung sein und stürzte auf ihre Station. Erleichtert atmete er auf, als der Kopf des Matrosen dicht an der Bordwand auftauchte. »Mr. Keverne, brassen Sie das Kreuzmarssegel back! Und raus mit dem Boot!« rief er. Leicht hätte Williams in seinem Eifer den rechten Moment verpassen und sich an der ausladenden Rundung des Schiffsrumpfes einen
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