Der stumme Tod
Gewindebolzen sitzen«, erklärte Lüdenbach. »Der muss sich gelöst haben. Eigentlich unmöglich, die sind alle mit einem Splint gesichert.«
Rath schaute sich die Halterung aus der Nähe an. »Vielleicht ist er ja gebrochen, der Bolzen!«
Lüdenbach zuckte ratlos mit den Schultern. »Dann ist da immer noch der auf der anderen Seite«, meinte er. »Hier.«
Auf der anderen Seite der Halterung bot sich jedoch das gleiche Bild: kein Gewindebolzen.
Lüdenbach wackelte mit dem Kopf wie ein Tattergreis. »Das gibt's doch nicht«, murmelte er, »das gibt's doch gar nicht!«
Sie standen wieder auf. Rath hielt sich an der schaukelnden Bühne fest, und sofort verkrampften sich seine schweißnassen Hände wieder. Ihm war flau im Magen, Hans Lüdenbach dagegen stand so sicher an dem schwankenden Geländer wie ein Steuermann bei schwerer See.
»Das darf eigentlich nicht passieren.« Lüdenbach schüttelte den Kopf. »Deswegen sind die Scheinwerfer doch doppelt gesichert:
Bricht einer der Bolzen, ist da immer noch der auf der anderen Seite.«
»Vielleicht wollte jemand den Scheinwerfer neu justieren, und dann hat er vergessen, die Bolzen wieder festzuschrauben«, schlug Rath vor.
»Doch nicht mitten im Dreh!«
»Aber irgendwie muss sich der Scheinwerfer aus der Halterung gelöst haben. Eine doppelte Materialermüdung erscheint mir jedenfalls sehr viel unwahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass hier einfach irgendjemand schlampig gearbeitet hat.«
Lüdenbach lief rot an. »Meine Leute arbeiten nicht schlampig«, empörte er sich. »Und gerade Glaser! Der versteht sein Geschäft!«
»Wer?«
»Peter Glaser. Mein Beleuchtungsassistent. Der ist für den Fluter zuständig.«
Rath ging die Behäbigkeit des Männleins langsam auf die Nerven.
»Und warum«, fragte er mit eisiger Freundlichkeit, »habe ich diesen Mann dann nicht längst zu Gesicht bekommen?«
»Sie wollten doch unbedingt mit mir hier hoch! Und glauben Sie, ich hätte nicht längst schon selbst mit ihm gesprochen, wenn ich wüsste, wo er sich rumtreibt?«
»Wie?«
»Heute Morgen war er noch hier oben und hat alles eingestellt.« »Und jetzt?«
Lüdenbach zuckte mit den Schultern. »Jetzt ist er weg.« »Seit wann denn schon?«
»Keine Ahnung. Hab ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.« Lüdenbach zuckte die Achseln. »Seit heute Mittag, wenn nicht länger. Vielleicht ist er krank.«
»Hat sich aber nicht abgemeldet?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Rath verlor die Geduld. »Mein lieber Mann«, knurrte er. »Wenn Sie heute noch irgendetwas Sinnvolles tun wollen, zeigen Sie mir schleunigst, wie man hier wieder runterkommt! «
Die Suche nach Peter Glaser blieb erfolglos. Nachdem klar war, dass der Mann im Atelier nirgends aufzutreiben war, schickte Rath Henning und Czerwinski mit der Adresse des vermissten Beleuchtungsassistenten los, die Bellmann bereitwillig rausgerückt hatte, nicht ohne zu betonen, was für ein zuverlässiger Mitarbeiter gerade dieser Peter Glaser sei. Die Männer vom ED, die zusammen mit dem Gerichtsmediziner inzwischen eingetroffen waren, robbten auf der Suche nach zwei Gewindebolzen über den Boden, während Dr.Schwartz neben der Leiche hockte und die Brandwunden an Kopf und Schultern begutachtete. Kronbergs Leute suchten so systematisch, wie nur Erkennungsdienstler solch eine Aufgabe angehen konnten, dennoch war Gräf derjenige, der einen der Gewindebolzen schließlich fand, ein unscheinbares, ölig-schwarzes Metallstück, das unter ein Scheinwerferstativ gerollt war.
Lüdenbach bestätigte, dass es sich um einen Bolzen der Scheinwerferhalterung handelte. Keine Bruchstelle, das Ding war unversehrt und landete zur weiteren Untersuchung in einer Blechkiste des ED.
Der zweite Bolzen allerdings blieb unauffindbar, auch einen Splint fanden sie nicht.
»Haben wir den Filmfritzen jetzt gratis den Boden geputzt?«, schimpfte ein EDler.
»Na, wenigstens einen Bolzen haben wir«, meinte Gräf, und Rath nickte.
»Vielleicht hat Glaser den anderen«, sagte er. »Wollte Beweisstücke entsorgen, nur dass er den zweiten Bolzen nicht gefunden hat, bevor er sich aus dem Staub machte.«
»Glaubst du wirklich, der hat den Scheinwerfer mit Absicht runterfallen lassen?«, fragte Gräf. »Vielleicht war er nur zu feige, sich seiner Verantwortung zu stellen, und ist nach dem Unfall getürmt.«
Rath zuckte die Achseln. »Glauben hilft uns nicht weiter. Jedenfalls hat hier irgendjemand gehörig Mist gebaut, so viel steht ... « »Herr
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