Der Stundenzaehler
jemals lieben würde. Aber ihre Gefühle wurden nicht erwidert.
Das stellte sich an Heiligabend um 21.16 auf dem Parkplatz des Dunkinâ Donuts heraus, als Sarah Ethan eine bunt verpackte Schachtel mit einer gravierten Armbanduhr aus seinem Lieblingsfilm überreichte und mit ihren Gefühlen herausplatzte, die sich in ihr angestaut hatten und die sie lediglich ihrem Schlafzimmerspiegel und dem Mann im Uhrenladen offenbart hatte.
Doch bevor sie die letzten Worte sagte â »Ich ⦠ich weiÃ, es klingt verrückt, aber â ich liebe dich einfach, weiÃt du?« â, verdrehte Ethan die Augen, als wolle er zu einem Freund sagen: »Ist das zu fassen?«
Sarah wäre am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken.
Dieser Blick!
Komplett desinteressiert.
Eine totale Demütigung .
Das verkrampfte kurze Gespräch danach, die peinlichen Minuten, bevor Ethan sagte: »Hör mal, Sarah, ich muss jetzt los«, kamen ihr wie Jahre vor.
Sie wollte ihm mehr erklären, ihre ÃuÃerung wieder zurücknehmen. Sie wollte ihm sagen, dass sie warten könne, bis in alle Ewigkeit.
Aber bitte, Ethan, mach nichts kaputt. Bitte geh jetzt nicht!
Doch Ethan gab ihr das Geschenk ungeöffnet zurück und ging weg. Die Hände in den Taschen vergraben.
Kurz darauf holte er sein Handy heraus â um wen anzurufen? Ein anderes Mädchen? Einen Freund, mit dem er sich lustig machte über diese Irre, die ihm gerade erzählt hatte, sie fände ihn »perfekt«?
Hatte sie das wirklich gesagt ?
Gott, Sarah, was stimmt nicht mit dir?
Nach dieser Szene wandte Sarah sich auf dem Parkplatz einem Gefährten zu, den niemand auÃer ihr sehen konnte â einem Teufel, einer elenden Bestie, die mit knochiger Kralle nach ihr griff und sagte: »Ab jetzt lebst du mit mir.«
Sarah Lemon war erst siebzehn, doch in diesem Augenblick begann sie sich vom Leben abzuwenden. Sie fühlte sich einsam und komplett verlassen. Und sie gab sich die Schuld an allem. Wie konnte sie nur etwas so Kostbares vertreiben, einen Jungen wie Ethan, der sie nie zuvor wahrgenommen hatte und sie nun auch nie wieder wahrnehmen würde? Sie hatten sich geküsst, und er hatte sie begehrt, aber sie hatte ihn abgewiesen. Und nur deshalb hatte er beschlossen, dass es sich nicht lohnte, etwas mit ihr anzufangen â was sie von vornherein gewusst hatte.
Wieso hatte sie bloà nicht den Mund gehalten und gemacht, was er gewollt hatte? Für wen hatte sie sich bewahren wollen, ganz im Ernst â als hätte sie noch Aussichten auf jemand Besseren gehabt?
Ihr war flau im Magen und schwindlig, und Sarah steckte das Geschenk wieder in die Tasche.
Sie sehnte sich danach, Ethan anzurufen, aber dann wurde ihr schockartig klar, dass dies nie mehr möglich sein würde.
Sie konnte ihn nicht mehr anrufen und nicht mehr treffen â es war aus und vorbei.
Sarah sank zu Boden, auf alle viere, und weinte, bis ihr die Brust weh tat vom Schluchzen und die Hände schmerzten vom Asphalt und bis ein Mann aus dem Dunkinâ Donuts die Tür öffnete und schrie: »Ey, was machst du da? Verzieh dich!« Sarah rappelte sich mühsam auf und stolperte vorwärts. Ein gebrochenes Herz ist schwerer als ein heiles â es schlägt in der Brust auf wie ein abgestürztes Flugzeug.
Sarah schleppte ihre Ãberreste nach Hause, in ihr Schlafzimmer, und sank in einen schwarzen Abgrund.
57
Dor saà wieder auf einem Wolkenkratzer und blickte auf die zahllosen Dächer, Türme, Lichter der riesigen Stadt.
Er hielt das Stundenglas aufrecht, lieà die Zeit normal verstreichen und dachte über die Anweisungen des Alten nach.
Die zwei Menschen hatte er gefunden und war ihnen einige Tage lang gefolgt. Er hatte in Victors und Sarahs Nähe mehrmals die Zeit angehalten und versucht, das Leben der beiden zu verstehen. Ihm war klar geworden, dass Victor trotz seines Reichtums wenig tun konnte, um seiner Krankheit Einhalt zu gebieten. Und nachdem er Sarah auf dem Parkplatz beobachtet hatte, wusste Dor, dass sie mehr für diesen Jungen empfand als der für sie.
Die Kompliziertheit dieser Welt stellte Dor vor viele Rätsel.
Er stammte aus einer Zeit vor der Erfindung der Schrift, einer Zeit, in der man jemanden aufsuchen musste, wenn man mit der Person sprechen wollte. Heutzutage war das anders. Die Gerätschaften der modernen Zeit â Telefone, Computer â ermöglichten es den
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