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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Schlauchteile, Ventile, Schrauben, geschmolzene Plastikteile, verkohlte Kabel flogen durch die Luft, fielen zu Boden und Sekunden später wurden sie vom Schnee verschluckt, der so dicht fiel, als würde er einfach vom Himmel gekippt.
    Und dann war es vorbei und das einzige Geräusch in der Stille des Waldes war Debbies Schluchzen, das langsam in ein Heulen ging, als bräche ein Rudel Wölfe durch die Bäume.

    Stumm sahen sie zu, wie der Motorraum des Vans ausbrannte.
    »Oh Mann, Scheiße, was war denn mit dir los, Chris?«, hörte Chris Benjamin neben sich.
    »Keine Ahnung. Es war das Auto. Plötzlich hatte ich den Van nicht mehr unter Kontrolle.«
    »Irgendetwas stimmt mit Debbie nicht«, unterbrach sie Julia.
    Sie hatte den dunkelbraunen Anorak ausgezogen, damit Debbie sich daraufsetzen konnte.
    »Du wirst erfrieren«, murmelte Chris, zog seine eigene Jacke aus und legte sie um Julias Schultern.
    »Debbie hat einen Schock.«
    Debbie wirkte tatsächlich wie weggetreten. Ihre Augen starrten ins Leere und ihre Zähne schlugen vor Kälte und Aufregung aufeinander. »Da war etwas«, flüsterte sie. »Im Wald. Habt ihr es auch gesehen?«
    »Deb!« Rose nahm Debbies Gesicht in ihre Hände. »Deb, wach auf! Wir hatten einen Unfall.«
    Doch Debbie begann plötzlich, zu schreien und Rose’ Hände wegzuschlagen.
    »Was ist denn mit der los?« Benjamin schüttelte den Kopf.
    Rose gab nicht auf. »Deb, Debbie, schau mich an, okay! Schau mir ins Gesicht. Ja, genau so, und jetzt versuch, dich zu konzentrieren. Tut dir irgendetwas weh? Hast du Schmerzen?«
    Und offensichtlich schaffte sie es, zu Debbie vorzudringen. Das Mädchen schien allmählich zu begreifen, was passiert war, und das Gesicht, eben noch leichenblass, wurde plötzlich rot vor Wut. »Ihr habt es gesehen! Ihr habt es gesehen, oder?« Debbie sprang auf, rannte auf Chris zu und schlug gegen seine Brust. »Du bist schuld! Du bist gefahren wie ein Wahnsinniger! Ich habe doch gesagt, du sollst langsamer fahren!«
    »Nein«, begann Chris, »es waren die...«
    Doch Debbie schluchzte hysterisch und warf sich in Rose’ Arme. »Du hättest mich fast umgebracht! Und hättest dich auch noch gefreut, stimmt’s?«
    Irgendwann würde Chris ihr so was auf die Fresse geben, dass ihr Mund anschwoll wie ein Luftballon und sie gerade noch Luft holen konnte.
    Ihm wurde schlecht.
    Schwindelerregend übel.
    Hör nicht auf sie, dachte er. Beruhige dich. Niemand von den anderen macht dir einen Vorwurf. Es ist nur Debbie.
    Wieder spürte er, wie sein Fuß das Bremspedal durchgetreten hatte. Aber der Wagen hatte nicht reagiert. Sie hätten alle tot sein können. Julia hätte tot sein können.
    »Alles in Ordnung, Julia?«, hörte er sich fragen. »Geht es dir gut?«
    »Und ich? Mich fragst du nicht?« Debbie schluchzte jetzt nicht mehr. Sie schrie. »Er ist zu schnell gefahren. Stimmt’s, Rose? Er ist zu schnell gefahren und er ist schuld, schuld, schuld!«
    »Halt die Klappe, Debbie, halt einfach die Klappe!«, schrie er zurück.
    Sie begann wieder zu weinen.
    Eine Weile schwiegen alle und lauschten dem Heulen des Windes, der den Schnee von den Bäumen fegte, und Debbies Schluchzen.
    »Okay«, meinte Benjamin nach einer Weile. »Das war wohl das Ende unseres Ausflugs.«
    »Abwarten«, erwiderte Chris. Um nichts in der Welt würde er das Wochenende oben im Tal bleiben. Er musste weg hier, sonst würde er verrückt werden.

    Irgendwann brachte der heftige Schneefall die Flammen zum Ersticken.
    »Wir sollten zum College zurückgehen«, murmelte Chris. »Dann sehen wir weiter.«
    »Dann sehen wir weiter?«, fragte Benjamin. »Mann, kapier das doch, das Wochenende ist gelaufen!«
    Chris konnte sich nicht länger beherrschen, spürte, wie er am ganzen Körper bebte, wie die Wut in ihm überkochte. Im nächsten Moment rannte er bereits auf den Wagen zu und trat gegen das Blech. Hörte das Knistern des erhitzten Metalls. Hätte er nur irgendetwas, eine Axt, einen Hammer...ihm fiel etwas ein.
    Er konnte den Metallgriff kaum anfassen, so heiß war er. Doch er schaffte es, den Kofferraum zu öffnen, und im nächsten Moment zerrte er bereits das Gepäck heraus.
    »Chris«, hörte er Julia schreien. »Chris, was machst du da?«
    Da war er.
    Der Wagenheber.
    Er lag schwer in seiner Hand.
    Chris spürte die Hitze, die aus der Motorhaube kam, hörte es zischen und wusste in demselben Moment, was passieren würde.
    Er kannte diese Wut.
    Sie war wie ein Programm, das in seinem Kopf ablief, und er hatte

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