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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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keine Möglichkeit, es zu beenden. Es begann immer mit diesem beschissenen Gefühl von Angst. Angst, die er nicht aushalten konnte und die genau aus diesem Grund, weil er eben den Knopf nicht kannte, mit dem er sie ausschalten konnte, zur Panik wurde. Und war es nicht verständlich, was dann kam? War es nicht unter menschlichen Gesichtspunkten einfach logisch, dass sich diese Panik in Wut verwandelte? War es nicht nachvollziehbar, dass er jetzt nur noch eines wollte: dieses verfluchte Auto, diesen Fuck-Wagen zerstören, dem Erdboden gleichmachen?
    Noch während ihm die Gedanken durch den Kopf fegten, holte er weit aus und schlug mit aller Kraft zu, schlug wie besinnungslos auf die Heckscheibe ein.
    Und war es nicht auch scheißegal, dass er das hier tat? Immer noch besser, als wenn er auf einen der anderen losgegangen wäre? War es nicht auch ein Zeichen, dass er inzwischen gelernt hatte, sich zu beherrschen?
    Er spürte, wie eine Glasscherbe ihn im Gesicht traf. Ein kurzer Schmerz, der ihn wieder zu Bewusstsein brachte. Der Schmerz und dann packte ihn jemand an der Schulter und riss ihn zurück. »Bist du verrückt geworden, Chris?«
    Er hatte mit Benjamin gerechnet, doch mit einem Seitenblick erkannte er Julia. In ihrem Gesicht lag erst ein Ausdruck von Überraschung, auf den Furcht folgte.
    Nein, nicht das.
    Sie sollte sich nicht vor ihm fürchten. Was ihm in der Vergangenheit passiert war, sollte nie wieder geschehen.
    Chris atmete tief ein und aus. Dann legte er den Wagenheber auf den Boden und versuchte, sich zu beruhigen. Und irgendwann gelang es ihm, die Attacke von Zorn zu unterdrücken.
    Erst dann suchte er wieder Julias Blick.
    Und als sie ihn so ansah, voller Angst, aber auch Sorge, da wusste er, dass er es mal wieder geschafft hatte. Er hatte sich in den Griff bekommen.
    So etwas wie mit Jess würde ihm nie wieder passieren.
    Er ließ den Wagenheber sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Also, wie heißt das bei euch im Film, Ben?«, sagte er möglichst locker. »Klappe. Und das Ganze noch einmal von vorne.«
    Niemand antwortete ihm. Er sah sich um. Die anderen starrten Richtung Wald. Er folgte ihrem Blick.
    »Was ist das?«, flüsterte Rose. »Seht ihr das auch?«
    Etwas war dort zwischen den Bäumen. Etwas leuchtete rot auf. Funken, die von dem brennenden Wagen auf den Wald übergegriffen hatten? Nein. Etwas anderes. Zwei Augen. Im Dunklen. Dann eine Bewegung. Ein Rascheln. Etwas brach durch das Gebüsch und stürmte davon. Verschwand im Schneegestöber.
    Debbie flüsternd, fast wimmernd: »Ich sage doch, da ist etwas im Wald.«
    Chris murmelte: »Klar ist da was im Wald. Irgendein Tier.«
    Aber gleichzeitig dachte er wieder an die glühenden Augen, die dazu geführt hatten, dass der Wagen ins Schleudern geraten war, und die Worte seines Vaters kamen ihm ins Gedächtnis: »Glaub mir, Chris, es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich daran gezweifelt, dass es DAS BÖSE gibt. Aber dann habe ich es selbst erfahren.«
    Okay, Chris, dein Dad ist ein Säufer gewesen, am Ende ein weinerlicher alter Mann.
    Aber was, wenn er recht hatte, als er flüsterte: »Es ist dort oben im Tal gefangen, Chris, wie ein wildes Tier hinter Gittern.«

7. Kapitel
    D er Unfall und der Schock hatten den Sturm in den Hintergrund gedrängt, aber je länger sie unterwegs waren, desto deutlicher wurde, dass die Situation immer bedrohlicher wurde.
    Sie hatten den Pass hinter sich gelassen, aber zum College zurück waren es vermutlich noch drei oder vier Kilometer.
    Kilometer, die bei normalem Wetter ein Kinderspiel waren.
    Aber nun?
    Glücklicherweise hatte der Schneefall nachgelassen – dafür nahm die Kälte spürbar zu. Noch immer verdunkelten die Wolken den Vormittag und nahmen ihnen die Sicht. Der Wind wurde zwar durch den dichten Wald zu beiden Seiten des Weges daran gehindert, mit voller Wucht loszuschlagen, aber immer wenn sie eine Schneise im Wald passierten, bekamen sie einen Vorgeschmack auf das, was weiter unten auf sie zukam. Dort, wo der Wald bei der Schranke endete und in freies Feld überging.
    Debbie stolperte mehr, als dass sie ging. Sie sah aus, als überzöge bereits eine dünne Eisschicht ihr Gesicht. Immer wieder tasteten ihre Finger nach der blutigen Schramme an ihrer linken Stirn.
    Einmal stürzte sie nach vorne, fiel in den Schnee und blieb einfach liegen. Rose half ihr geduldig beim Aufstehen.
    »Es kann nicht mehr weit sein«, tröstete sie. »Du musst durchhalten, Debbie. Was ist mit

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