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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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richtigen Worte finden, fühlte sich hilflos, gelähmt und dann... dann stieg sie in ihm hoch – die Wut.
    »Wir gehen nicht auf den Friedhof, das versprech ich dir. Wir tun nur die Dinge, die uns Spaß machen!« Er zog sie noch fester an sich.
    »Ja.« Ein winziges Lächeln erschien auf ihrem schönen Gesicht. »Du hast recht.« Sie gab ihm einen schnellen Kuss. »Danke, dass du mich hier wegbringst, Chris.«
    Er grinste sie an. »Nichts lieber als das!«
    Chris nahm Julias Hand und ging mit ihr über den Rasen hinüber zum Parkplatz und dort zu dem collegeeigenen Van, den sie für die freien Tage gemietet hatten. Ein Bus verließ gerade den Parkplatz, einige Vans folgten. Mr Forster, der Leiter des Französisch-Departments, wie immer korrekt gekleidet in Anzug und Krawatte, lud zwei Koffer in seinen weißen Lincoln. Das Oldtimermodell aus den Siebzigerjahren, das Forster jeden Samstagvormittag vor seinem Bungalow zu polieren pflegte, parkte direkt vor der Ausfahrt. Der Wind hatte ihm die sonst akkurat gescheitelten Haare ins Gesicht geweht, die er nun mit einer flüchtigen Handbewegung nach hinten strich.
    Der Professor nickte ihnen zu und blieb an der geöffneten Fahrertür stehen. Chris sah seine Frau mit einer Reisetasche auf den Parkplatz kommen. Sie trug keinen Mantel und schien in der klirrend kalten Luft zu frösteln. Mrs Forster unterrichtete Kunst am Grace und Rose beschwerte sich ständig darüber, dass sie ihre Studenten daran hinderte, nach ihren eigenen Vorstellungen zu arbeiten.
    Wie immer löste der Anblick der beiden unerträgliche Langeweile in Chris aus, doch wurde er abgelenkt, als er Benjamin und Rose entdeckte, die auf sie zukamen.
    Benjamin rief ihm schon von Weitem zu: »He, Chris! Wir losen, wer die Serpentinen runterrasen darf, okay? Mann, ich war schon lange nicht mehr in einer Achterbahn!«
    Chris schüttelte den Kopf: »Ich habe den Vertrag für den Wagen unterschrieben, also fahre ich auch. Sonst muss ich für den Schaden aufkommen, wenn du den Van gegen einen Baum setzt.«
    »Du bist und bleibst ein Spielverderber.« Benjamin seufzte und sah sich auf dem Parkplatz um.
    Drei Fahrzeuge der Security parkten in der Nähe des Haupttors – ansonsten war er verwaist. »Wir sind echt die Letzten, was?«
    »Wo ist Debbie?«, fragte Julia nervös und zog sich die Kapuze über den Kopf. Der Regen war inzwischen zum großen Teil in Schnee übergegangen, große nasse Flocken, die schmolzen, kaum dass sie die Seeoberfläche erreicht hatten.
    Rose setzte den Rucksack ab und sah auf ihre Armbanduhr. »Ich dachte, sie wäre schon längst hier unten? Ich hab ihr vorhin gesagt, dass sie spätestens in einer Viertelstunde auf dem Parkplatz sein muss.« Sie zog eine weiße Mütze aus der Jackentasche.
    »Ausgerechnet bei uns im Wagen muss Debbie mitfahren«, schimpfte Ben. »Sie wird keine Sekunde den Mund halten, immerzu essen und uns etwas vorjammern. Ich glaube, ich kenne schon jede Krankheit ihrer Großmutter.«
    Chris wischte sich die Schneeflocken aus dem Gesicht, ging um den Wagen herum und öffnete den Kofferraum. »Wenn sie nicht in fünf Minuten da ist, fahre ich ohne sie.«
    »Besser, wir holen sie«, hörte er Julia sagen. »Kommst du mit, Rose?«
    Chris rollte mit den Augen. Er spürte, wie die Ungeduld in ihm hochkochte. Er begann, das Gepäck einzuladen, und rief Julia nach: »Richte ihr das aus, ja! Fünf Minuten – länger nicht.«
    Eine heftige Windböe traf ihn und wehte ihm Schnee ins Gesicht.
    Die Ahornbäume, die den Uferweg unterhalb des Parkplatzes säumten, rauschten und warfen das letzte Laub von sich. Mit lautem Knall schlug Chris den Kofferraum zu.
    Immer noch wankten die hohen Tannen am gegenüberliegenden Ufer hin und her. Doch der Lake Mirror erstreckte sich ruhig vor ihnen. Kaum ein Windhauch kräuselte die Wasseroberfläche.
    Chris schloss die Augen.
    Vielleicht war ihm einfach nur schwindelig.
    Er öffnete sie wieder. Doch nichts hatte sich geändert.
    »Seltsam«, murmelte er.
    »Was?«, fragte Benjamin.
    »Siehst du das nicht?« Chris deutete geradeaus.
    »Was? Die Bäume?«
    »Bewegen die sich wirklich?«
    »Was ist denn mit dir los? Das kann doch sogar ein Blinder sehen, dass die schweren Seegang haben.
    »Aber der See...das Wasser...da sind kaum Wellen!«
    Benjamin löste den Schal von seinem Hals und streckte ihn in die Luft. Er flatterte im Wind. »Du weißt ja, der See macht, was er will. Daran solltest du dich längst gewöhnt haben! Ich verlasse mich lieber

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