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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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hatten.
    Debbie trat an die Balkontür und sah nach unten. Alle waren bereits gefahren, nur der schwarze Van wartete noch.
    Auf sie.
    Auf Deborah Wilder.
    Sie dachte wieder an diese seltsame Nachricht an Julia. Dass sie ausgerechnet jetzt wegfahren mussten!
    Sie griff nach Rose’ Parfüm und begann, sich von oben bis unten einzusprühen. Sie konnte direkt zusehen, wie die Flüssigkeit abnahm.
    Eben.
    Sie sollten auf sie warten.
    Lange.
    Doch im nächsten Moment sah sie, wie der Wagen sich in Bewegung setzte. Kurz ruckelte...Was hatten die wieder gegen sie ausgeheckt? Sie fehlte doch noch. Sie konnten nicht einfach losfahren, sie war ja noch nicht da.
    Der Van setzte sich wieder in Bewegung und...was war das denn? Er fuhr rückwärts – direkt auf die dunkle Kreisfläche des Lake Mirror zu.
    Das konnte nur ein Scherz sein, oder? Vermutlich saß Benjamin am Steuer. Und er war vollgepumpt mit Drogen. Ja, Debbie hatte die leeren Schachteln in seinem Koffer gefunden. Wenn er wirklich am Steuer saß, würde sie hierbleiben. Nie im Leben würde sie in den Van steigen, wenn Ben den Wagen fuhr.
    Debbie lief in ihr Zimmer, schnappte ihren Koffer und rannte durch das Apartment. Dann riss sie die Tür auf und wollte gerade Richtung Lift losrennen, als sie gegen eine dunkle Gestalt im Flur prallte. Der silberne Knopf einer Uniformjacke stach in ihr linkes Auge. Und ihr Blick fiel auf das Namensschild, das unter dem Wappen des Grace College eingestickt war: Ted Baker.
    »Noch hier?«, sagte er.
    Sie sah hoch in ein Gesicht, das ihr zulächelte. Debbie stellte sich kurz vor, wie seine Hand leicht über ihre Wange strich, sodass sich ihr Gesicht plötzlich so schmal wie Julias und so weich wie Rose’ samtrosa Haut anfühlte.
    »Ja, aber sie warten auf mich. Ich muss mich beeilen.«
    »Hast du abgeschlossen?«
    »Ich... ach, keine Ahnung!«
    Der Mann ging langsam auf die Tür des Apartments zu,
    zog den Schlüsselbund aus der linken Hosentasche, steckte einen der Schlüssel ins Schloss und drehte ihn zweimal. »Immer abschließen«, sagte er dann. »Sicher ist sicher!«

5. Kapitel
    M ann, willst du uns umbringen?« Ben rüttelte Chris von hinten an der Schulter. »Schon mal was vom Vorwärtsgang gehört, den man zum Anfahren einlegt?«
    Chris biss die Zähne zusammen. Der Wagen war kurz vor dem Seeufer zum Stehen gekommen, er hatte den Motor abgewürgt. Jetzt war nur noch das nervende Quietschen der Scheibenwischer zu hören, die stetig hin und her wedelten, im vergeblichen Kampf gegen die Flocken, die fast waagerecht auf die Windschutzscheibe flogen.
    Reiß dich zusammen, Chris!
    Er atmete tief durch und warf Julia einen Seitenblick zu. Sie sah blass aus und vermied es, seinen Blick zu erwidern.
    Er griff abrupt zum Schalthebel und wollte gerade den Motor wieder anlassen, als Rose sich von hinten meldete. »Da ist sie ja endlich.«
    Chris warf einen Blick durch das Fenster. Durch den Schnee erkannte er Debbies gedrungene Figur, die auf den Wagen zustolperte. Debbie erinnerte Chris immer an einen dieser Luftballons auf dem Jahrmarkt, die in die absurdesten Gestalten geformt wurden. Der kurze Hals war von dem Kragen einer dick wattierten beigen Winterjacke eingeschnürt und Debbie hatte den vergeblichen Versuch unternommen, durch einen silbernen Gürtel so etwas wie eine Taille zu formen. Sie zog einen orangefarbenen Trolleykoffer hinter sich her. Immer wieder blieben die Räder des Koffers im Kiesbelag des Parkplatzes hängen.
    Benjamin ließ das Wagenfenster herunter. Kalte Luft drang in das Wageninnere, als er den Kopf hinausstreckte und schrie: »Und da kommt auch Miss Wilder! Sie läuft um ihr Leben. Sie flieht vor dem Jahrhundertsturm, der über den Ghost hinwegzieht.«
    Debbie rüttelte wie wild am Türgriff.
    Zu blöd, um eine Wagentür zu öffnen, dachte Chris.
    Endlich gelang es ihr und sie stürzte sich ins Auto. »Ihr wolltet ohne mich fahren!«, schrie sie. »Stimmt’s? Ihr wolltet mich hier oben alleine lassen. Ihr seid so gemein!«
    Chris drehte sich nicht zu ihr um. Das musste er auch nicht. Er konnte Debbie riechen. Mein Gott, womit hatte die sich nur eingesprüht?
    »Mach die Tür zu, sonst friere ich mir den Arsch ab«, knurrte er.
    Die Tür schlug krachend ins Schloss und Rose, wie immer bemüht, für Harmonie zu sorgen, sagte ruhig: »Mein Gott, Deb, du bist eine halbe Stunde zu spät! Wo warst du?« Und weiter: »Und wenn du schon mein Parfüm benutzt, dann bitte sparsam. Nicht weil ich es dir nicht gönne,

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