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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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ständig unterbrach, in einen Kokon von Worten einspann, Abschweifungen machte, von denen er wiederum abschweifte, bis man am liebsten den Satz für ihn zu Ende gebracht, laut aufgeschrien, ihn erschossen oder – dachte Kate – aus dem Fenster gestoßen hätte – alles, um ihn zum Schweigen oder wenigstens seine Syntax in Ordnung zu bringen. Wie viele Akademiker jedoch, deren Vorlesungen ermüdend und strapaziös waren, hatte er einen guten und klaren Schreibstil. Und mochte auch oft engstirnig sein, was er schrieb: es war klar formuliert.
    Kate und er waren schon so lange an der Universität, daß sie sich kaum an ihre erste Begegnung erinnern konnte. Irgendwann Mitte oder Ende der Siebziger mußte sie stattgefunden haben, als die Universitäten sich verpflichtet fühlten, in jedes Komitee auch Frauen zu 20

    berufen. Da es viele Komitees und wenige Frauen gab, lernte Kate in sehr kurzer Zeit die vielfältigsten Formen unverbindlichen Schwad-ronierens und Plauderns. Adams war von Anfang an Mitglied jedes Komitees gewesen – dessen war sich Kate sicher. Er war der Typ Professor, der der Verwaltung in jenen Tagen am genehmsten und vertrauenswürdigsten schien – er war engstirnig und besaß all die gängigen Vorurteile zu Geschlechterrollen, Rasse, Klasse und sexu-ellen Neigungen, kurz, die Verwaltung konnte sich darauf verlassen, daß er in ihrem Sinne handelte. Als sich die Zusammensetzung der Universitätsbürokratie verjüngte und ein wenig fortschrittlicher wurde, hielt man nicht mehr so große Stücke auf ihn, brauchte ihn aber dennoch. Vom Standpunkt der Verwaltung aus lag der Sinn von Komitees schließlich darin, waghalsige Reformen und unbequeme Neuerungen zu verhindern. Und bei Adams konnte man sicher sein, daß er sich entschlossen gegen jegliche Änderung von Studienbedin-gungen oder der Hochschulordnung stemmen würde.
    Aber was heißt das schon, dachte Kate. Stell dir vor, du müßtest ihn jemandem beschreiben – einem Geschworenen, Anwalt oder Richter. Können Sie uns bitte Ihre erste Begegnung mit Professor Adams schildern? Sie konnte schlecht aussprechen, daß sie jedesmal, wenn sie ihn in einem Raum entdeckte, abgeblockt, nicht hingehört und nicht hingesehen hatte, vor lauter Furcht, ihre heftige Abneigung gegen ihn würde sofort und für jeden erkennbar. Nun, Euer Ehren, er log, er manipulierte, er sagte einem dies und dem nächsten das genaue Gegenteil. Am schlimmsten aber war, daß er sich einfach nicht vorstellen konnte, jemand, der nicht seiner Meinung war, könne möglicherweise recht haben.
    Fangen wir noch mal ganz von vorn an, sagte Kate zu sich selbst.
    Beschreibe ihn. Er sah germanisch aus, sehr hellhäutig, und seine Haare hatten jene eigenartige Farbe, die entsteht, wenn sehr blondes Haar in Grau übergeht. Auf den ersten Blick hätte man ihn für einen Albino halten können. Seine Wimpern waren kaum zu erkennen, und sein Bart hatte die gleiche Farbe wie seine Haut. Aber er trug keine Brille, hatte also nicht die schlechten Augen eines Albino. Und wenn schon, dachte Kate (albernerweise, wie sie im nächsten Moment fand), einer meiner besten Freunde ist schließlich ein Albino. Adams empfand sich als Dandy und kleidete sich entsprechend. Schlecht gekleidete Männer konnte man ertragen, elegant gekleidete unangenehme Männer waren bedrückend. Einige meiner besten Freunde kleiden sich elegant.
    21

    Sie erinnerte sich an eine Geschichte, die ihr zu Ohren gekommen war. Vor einigen Jahren hatte Adams einer hervorragenden Studentin gesagt, sie solle nach Hause gehen, sich um ihre Kinder kümmern und einen Halbtagsjob als Verkäuferin in einem Kaufhaus annehmen. Heute wäre eine solche Bemerkung komisch oder bestenfalls ärgerlich. Damals war sie vernichtend. Außerdem wurden ihm subtile Formen sexueller Belästigung nachgesagt, allerdings nie so krass, daß man ihn hätte belangen können. Einfach, daß er vor allem Studentinnen um sich scharte und von ihnen ein bestimmtes Verhalten erwartete – sie mußten kokett, dankbar und bescheiden sein, ihn anhimmeln und umschmeicheln. Hatten sich vielleicht alle Studentinnen zusammengetan und ihn mit vereinten Kräften aus dem Fenster geworfen, so wie es Agatha Christie geschildert hat? Aber das war in einem Zug gewesen. In Adams’ Fall waren keine Spuren in dem Zimmer zu finden gewesen. Oder vielleicht doch? Wirklich, sie wußte so wenig; sie zu bitten, Detektivin zu spielen, war grotesk.
    Keine Frage, es war viel einfacher, mit ganzer Kraft

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