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Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Der Südstern oder Das Land der Diamanten

Titel: Der Südstern oder Das Land der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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doch die Kraft, lächelnd zu sagen:
    »Also abreisen wollen Sie?… Nun, und Ihre ergebene Schülerin wollen Sie einfach verlassen, bevor diese den angefangenen Cursus in der Chemie vollendet hat? Sie wollen, daß ich beim Sauerstoff stehen bleibe und mir die Geheimnisse des Stickstoffes ein Buch mit sieben Siegeln bleiben sollen??… Das ist nicht hübsch von Ihnen, Herr Méré!«
    Wohl versuchte sie ihre Worte in scherzhaftes Gebilde zu kleiden, nur strafte sie der Ton ihrer Stimme Lügen. Unter diesem Scherze verbarg sich ein schwerer Vorwurf, der dem jungen Mann tief zu Herzen ging. In gewöhnlicher Sprache lautete derselbe nämlich.
    »Nun, und ich?… Mich rechnen Sie also für nichts?… Sie werfen mich einfach in die frühere Unwissenheit zurück!… Sie wären nur hierher gekommen, um sich unter den Boers und den habgierigen Minengräbern als höheres, bevorzugtes, stolzes interesseloses Wesen zu zeigen! Sie hätten mich in Ihre Studien und Arbeiten eingeweiht, hätten mir Ihr Herz und sein ehrgeiziges Streben eröffnet, Ihre wissenschaftlichen Schatzkammern und Ihre künstlerischen Keime gewiesen; Sie hätten mir nur die Entfernung hervorheben wollen, die sich zwischen einem Denker wie Sie und den anderen Zweihändern die mich umgeben, aufthut!… Das Alles hätten Sie gethan, um sich bewundern und lieben zu lassen, und wenn Ihnen das gelungen, dann erklären Sie ohne alle Umstände, daß Sie wieder weggehen, daß Alles zu Ende ist, daß Sie nach Paris zurückkehren und sich beeilen wollen, mich ganz zu vergessen? Und Sie glauben auch, daß ich eine solche Lösung bestehender Verhältnisse mit philosophischem Gleichmuth hinnehmen werde?«
    Ja, das Alles lag in Alices Worten, und ihr feuchtes Auge unterstützte es noch so deutlich, daß Cyprien sich fast versucht fühlte, auf diesen unausgesprochenen und doch so beredten Vorwurf zu antworten. Es fehlte nicht viel, daß er ausgerufen hätte:
    »Es muß sein!… Gestern hab’ ich bei Ihrem Vater um Ihre Hand angehalten!… Er hat mich zurückgewiesen, ohne mir nur ein Fünkchen Hoffnung zu lassen. Begreifen Sie nun, weshalb ich fortgehe?«
    Noch zur rechten Zeit erinnerte er sich aber seines gegebenen Versprechens. Er hatte sich ja verpflichtet, der Tochter des John Watkins niemals von dem schönen Traum zu reden, den er sich gewebt, und er hätte sich für verächtlich gehalten, wenn er ein gegebenes Wort brach.
    Gleichzeitig empfand er freilich, wie dieser Plan einer überstürzten Abreise, den er unter dem Drucke des erlebten Mißgeschicks gefaßt, doch etwas rücksichtslos erscheinen mußte. Es schien ihm nun unmöglich, das reizende Kind, welches er liebte, und das ihm – sah er’s jetzt doch allzu deutlich – ebenfalls eine aufrichtige, tiefe Zuneigung entgegenbrachte, so ohne alle Vorbereitung, ohne Aufschub zu verlassen. – Der Beschluß, welcher sich ihm zwei Stunden früher mit dem Charakter unbedingter Nothwendigkeit aufgedrängt hatte, erschreckte ihn jetzt selbst, und er wagte nicht, ihn ganz auszusprechen Ja, er verleugnete seine eigentliche Absicht jetzt gleich gänzlich.
    »Wenn ich vom Abreisen sprach, Fräulein Alice, so meine ich damit nicht diesen Morgen, auch nicht den heutigen Tag Ich habe noch Verschiedenes aufzuzeichnen… noch Vorbereitungen zu treffen… jedenfalls werd’ ich noch die Ehre haben, Sie wieder zu sehen und mit Ihnen über einen weiteren Studienplan zu sprechen!«
    Sich schnell auf den Fersen umdrehend, entfloh Cyprien nach diesen Worten wie ein Irrsinniger, stürmte in seine Hütte und warf sich hier in einen hölzernen Stuhl, wo er in tiefes Nachdenken versank.
    Sein Gedankengang hatte jetzt eine ganz andere Richtung angenommen.
    »Auf so viel Schönheit und Liebreiz zu verzichten, wegen Mangels an ein wenig Geld! murmelte er für sich. Den Kampf schon beim ersten Hinderniß aufgeben! Zeigt das so viel Muth, wie ich’s mir dachte? Wär’s nicht besser, einige Vorurtheile zu opfern und danach zu streben, ihrer würdig zu werden?… So viele Leute erwarben schon durch Diamantengräberei binnen wenigen Monaten ein hübsches Vermögen; warum sollt’ ich selbst das nicht versuchen? Wer hindert mich daran, auch einen Stein von hundert Karat zu finden, wie es Anderen geglückt ist, oder noch besser, gleich eine neue Fundstätte zu entdecken? Ohne Zweifel besitze ich mehr theoretische und praktische Kenntnisse, als die Mehrzahl dieser Leute. Warum sollte mich die Wissenschaft nicht erreichen lassen, was Anderen durch

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