Der Suender und die Lady
mit einem Kuss von deinen schönen Lippen.“
Nicht erst drohen, sondern gleich zustechen, sonst bekommst du vielleicht gar keine Chance dazu. Regina stieß die Hutnadel in den fleischigen Handrücken des Mannes und lief davon, als er aufheulte und sie auf der Stelle freigab.
Sie war nicht sicher, auf welcher Ebene von Dantes „Inferno“ sie sich befand, aber sie musste nach draußen. Auf der Stelle.
Sie sah sich um, hatte Angst, dass der Mann, der sich Robin Goodfellow nannte, ihr folgte, doch er war nicht da. Da war überhaupt niemand, den sie kannte, was nicht heißen sollte, dass sie den Mann gekannt hätte.
Wenn sie doch nur Miranda finden würde!
Schließlich bahnte sie sich einen Weg durch den Irrgarten aus Wandschirmen und Pflanzen und Sofas zum Haupteingang und dem kleinen Vorzimmer, wo ein paar Zofen saßen, bereit, ihren Herrinnen wenn nötig zur Hand zu gehen.
„Ach, Miss Regina, da sind Sie ja! Gott sei Dank!“ Doris Ann ergriff Reginas Hände und drückte sie so fest, dass es wehtat. „Sie ist weg. Meine Miss Miranda ist weg!“
Regina befreite mit einiger Mühe ihre Hände und versuchte, die Zofe zu beruhigen. „Unsinn, Doris Ann. Sie ist verloren gegangen, weiter nichts, und höchstwahrscheinlich mit Absicht. Wann hast du sie zuletzt gesehen?“
„Überhaupt nicht“, sagte Doris Ann und schniefte. „Nicht mehr, seit wir hier angekommen sind. Es ist beinahe Mitternacht, und Sie haben gesagt, eine Stunde, Miss Regina, und jetzt sind es schon bald zwei. Und sie hat’s mir versprochen. Sie hat versprochen, auf Sie zu hören, Hauptsache, Sie kommen mit. Ich dachte schon, Sie beide wären gegangen, weil ich ja wusste, dass Sie eigentlich gar nicht herkommen wollten, aber jetzt sind Sie hier, und sie ist nicht hier, und ich war ganz sicher, dass sie bei Ihnen wäre und …“
„Schon gut, schon gut, Doris Ann, lass uns die Ruhe bewahren“, sagte Regina beschwichtigend. „Mir ist bewusst, dass wir schon länger hier sind als vereinbart, aber wenn ich … aufgehalten worden bin, ist es Miss Miranda höchstwahrscheinlich ebenso ergangen.“
„Ich habe mal meinen Kopf in den Ballsaal reingesteckt, als niemand geguckt hat, und da passieren seltsame und unanständige Dinge, Miss Regina. Ich habe zwei von den anderen Zofen reden gehört, verstehen Sie? Sie beide hätten überhaupt nicht hierherkommen dürfen.“
„Und wir brechen auf, sobald wir Miss Miranda gefunden haben. Das verspreche ich dir. Und jetzt gehen wir folgendermaßen vor: Wir suchen sie im Ballsaal. Du gehst links herum, und ich gehe rechts herum, und – Doris Ann! Wage es nicht, den Kopf zu schütteln!“
„Ich geh da nicht rein. Da passieren unanständige Dinge.“
„Ja, das sagtest du bereits. Aber deine Miss Miranda ist dort irgendwo.“ Oder irgendwo draußen im Garten. „Du hast sie doch lieb, oder?“
„Ja, Miss Regina. Aber da passieren unanständige …“
„Möchtest du Miss Mirandas Eltern gestehen, dass du beteiligt warst? Dass du Miss Miranda bei der Suche nach den Dominos und den Masken geholfen hast, dass du gewusst hast, was heute Abend geschehen sollte, und nichts unternommen hast, um es zu verhindern? Dass du ohne sie nach Hause gekommen bist?“
Doris Ann fuhr sich mit der Zunge über die schmalen Lippen. „Ich soll links herum gehen, sagten Sie?“
Regina atmete erleichtert auf. Immerhin würde sie Unterstützung haben. „Ja, links herum. Und wenn du sie findest, bringe sie auf der Stelle hierher zurück. Halte sie fest, wenn es sein muss, und lass sie nicht los, bevor ihr beide wieder hier seid. Hast du verstanden?“
Doris Ann nickte und schickte einen furchtsamen Blick in Richtung Ballsaal. „Oh Gott! Sie setzen die Masken ab, Miss Regina. Wollten Sie und Miss Miranda nicht längst verschwunden sein, wenn sie die Masken absetzen?“
„Oh mein Gott …“
Wie konnte sie zurück in den Ballsaal gehen, wenn die Leute jetzt die Masken fallen ließen? Sie würden sich wundern, warum sie ihre nicht absetzte, und da alle sich so schlecht benahmen, war nicht auszuschließen, dass irgendein unverschämter Mensch sie ihr vom Gesicht zu reißen versuchte.
Doch sie musste Miranda finden. Und sei es nur, um ihr den Hals umzudrehen!
„Gibt es ein Problem?“
Regina erkannte die Stimme und begriff, dass der Mann, der sich Robin Goodfellow nannte, sie gefunden hatte und in diesem Moment direkt hinter ihr stand.
„Nein. Danke.“ Sie kehrte ihm weiterhin den Rücken zu. Hatte er seine Maske
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