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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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angeschnallt hatte, geriet der Rollstuhl auf der schrägen Rampe gefährlich ins Wanken. Er beugte sich vor, um sie zu beruhigen, aber sie war nicht zu bändigen. Jetzt war er es, der Angst bekam, er legte seine schmächtigen Kinderarme fest um seine kranke Schwester, bot all seine Kraft auf, um den schweren Rollstuhl festzuhalten, doch sie gerieten immer stärker ins Rutschen und dann stürzten die Zwillinge zusammen in den Pool.

Lu am Samstag, dem 5. Mai 2012
    Diego hat frei und holt mich ab. Wir wollen zu Fuß zum Flohmarkt am Mainufer gehen. Er weiß aber noch nicht, dass wir meine geliebte Nichte Ida-Kim mitnehmen werden, die Christian heute Morgen bei uns vorbeigebracht hat. Ich werde behaupten, ich hätte schon vor Wochen versprochen, auf sie aufzupassen, und neulich nur vergessen, ihm das zu sagen. In Wahrheit ist es eine geniale Idee, sie dabeizuhaben, irgendwie bin ich ihm dann nicht so hilflos ausgeliefert. Außerdem will ich sehen, wie er mit Ida klarkommt. Ich bin gespannt, ob Ida ihn mag, sie hat nämlich mit ihren knapp drei Jahren mehr Menschenkenntnis, als meine zwei Brüder es jemals haben werden. Beim Anblick von Lukas ist sie jedes Mal in Tränen ausgebrochen, lange bevor er mich zum Heulen gebracht hat.
    Ich finde Typen schrecklich, die nicht mit kleinen Kindern umgehen können. Aber Ellen hat mich gewarnt. »Wenn du willst, dass der Typ die Flucht ergreift, dann zwinge ihn zu einem Vormittag mit dieser Bestie.« Ellen hat mich nämlich schon oft auf den Spielplatz begleitet, wenn ich auf Ida aufgepasst habe. Sie liebt Ida, findet sie aber megaanstrengend.
    Gerade wegen Ellens Spruch werde ich jetzt doch ein bisschen nervös, wie er reagieren wird, und frage mich, warum ich so feige bin. Habe ich denn gar kein Vertrauen zu mir selbst? Wovor habe ich Angst?
    Schließlich hat er mich jeden Tag angerufen und mir sogar nachts von der Arbeit noch Nachrichten per SMS geschickt. Er musste zusammen mit Patrick, so heißt der ältere Kollege, der uns damals auf der B3 geblitzt hatte, jemanden observieren. Als ich neugierig wurde und mehr darüber wissen wollte, hat er nur gestöhnt und gesagt, erstens sei es geheim und zweitens wäre es einfach nur öde, das einzig Spannende wäre es, Patrick beim Schnarchen zuzuhören.
    »Was hast du denn damit vor?«, fragt er, nimmt mir wortlos meinen Riesenrucksack ab und zeigt auf den Edel-Kinderwagen, den ich gerade vors Haus getragen habe.
    In diesem Augenblick rennt Ida, die gerade quietschend vor Basti flüchtet, zu mir, klammert sich an meinem Bein fest und versteckt sich vor meinem Bruder.
    »Ist das deine?«, fragt Diego und sieht so aus, als hätte er gerade unerwartet auf einen Kirschkern gebissen.
    Ich muss lachen und spanne ihn ein bisschen auf die Folter. »Sieht sie mir denn ähnlich?«
    Ida-Kim ist so hübsch, dass die Leute stehen bleiben, wenn wir im Kinderwagen vorbeifahren. Die lackschwarzen Haare und die leicht asiatischen Gesichtszüge hat sie von ihrer japanischen Mutter geerbt, von meinem Bruder stammen die minzgrünen Augen und ihr konzentriert entschlossener Ausdruck.
    Diego schaut sie genauer an, dann zuckt er hilflos mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Luuuu-Luuu!« Ida schaut uns von unten an und lacht über das ganze Gesicht. Sie streckt mir ihre Händchen entgegen und will auf den Arm genommen werden.
    »Sie ist meine Nichte«, erlöse ich ihn endlich und hebe sie hoch. »Hör mal, da hätte ich ja schon sehr früh angefangen!«
    »Du glaubst gar nicht, was wir bei der Arbeit so alles zu sehen kriegen.« Er wirkt sehr erleichtert.
    Ida küsst mich schmatzend auf die Wange und hinterlässt dort etwas Klebriges, was ich sofort abwische. »Ida, du bist das größte Himbeermarmeladenmonster, das ich kenne!«
    Sie kichert geschmeichelt und betrachtet dann Diego.
    »Ein Papa«, stellt sie sachkundig fest und ich erkläre Diego, der schwallartig rot geworden ist, dass sie zu allen Männern gerade Papa sagt. Sie betrachtet ihn immer noch, plötzlich ganz ernst. »Di-e-go«, spreche ich ihr seinen Namen langsam vor und sie wiederholt ernsthaft und konzentriert. »Dio!« Als wir beide lachen, nickt sie und wiederholt dann ein paar Mal: »Dio, Dio, Dio.«
    Plötzlich zwinkert Diego mir zu, dann streckt er ihr zu meinem großen Erstaunen die Zunge raus. Ida dreht sofort den Kopf weg, aber ich sehe, dass sie grinst. Dann schaut sie langsam wieder zurück und er streckt ihr sofort wieder die Zunge raus. Und diesmal macht sie genau das

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