Der sueße Kuss der Luege
Gleiche und kichert. »Lu, auch!«, kichert sie und ich strecke den beiden dann auch noch die Zunge raus.
Okay, ich glaube, ich brauche mir keine Sorgen um diesen Vormittag zu machen. Mir fällt ein Stein vom Herzen.
Mein Bruder bringt mir noch eine Tasche mit Windeln, eine Wasserflasche und Idas Lieblingskuscheltier, Emil, den grauen Schmuddelhasen. Früher hat er Christian gehört, er ist deshalb schon ganz verwaschen und hat nur noch ein Ohr.
»Und dieser Diego will sich das wirklich antun?« Das hatte mich Basti beim Frühstück gefragt, obwohl er mir vorher einen endlosen Vortrag über den gefährlichen Geisteszustand von Polizisten im Besonderen und Allgemeinen gehalten hat.
»Was denn nun?«, hatte ich erwidert. »Soll ich mich mit ihm treffen oder nicht?«
»Wenn er diesen unerträglichen Ramsch-Flohmarkt, Ida und dann noch dich übersteht, dann hat er einen Orden verdient. Vielleicht ist er für einen Bullen doch ganz okay.«
»Du könntest ja mitkommen und ihn beobachten«, schlage ich vor und bin nicht sicher, ob ich das ernst meine. »Andrea würde sich freuen.« Ich grinse ihn an und er muss unwillkürlich zurückgrinsen. Andrea Reimann, die Haushälterin von Yukiko, ist bestimmt schon Ende fünfzig und Sebastian nutzt es weidlich aus, dass sie ihn mag. Sie wird bestimmt auf dem Flohmarkt sein, sie ersteigert mit großer Leidenschaft auf Ebay günstige Sachen, um sie dann auf Flohmärkten teuer zu verkaufen. Einmal hat sie für mich einen Ballen alte roséfarbene Tüllspitze ersteigert, aus der ich dann ein Prinzessin-Lillifee-Kleidchen für Ida-Kim genäht habe, um das sie der halbe Kindergarten beneidet hat.
»Ich würde deinen Bullenfreund zwar gern in Aktion sehen, aber diese Menschenmassen sind einfach nichts für mich. Außerdem muss ich mich mental auf das Eintrachtspiel heute Nachmittag vorbereiten. Habt ihr alles?«
Ich nicke Sebastian zu, setze Ida in den Kinderwagen, drücke ihr Emil in den Arm, schnalle sie fest, weil sie gerne unvermittelt aufsteht oder anderen Blödsinn macht. Sie lacht meinem Bruder zu und dann ziehen wir los, Richtung Mainufer.
Ich schiebe den Kinderwagen, während Diego den großen Rucksack trägt. Ida thront zufrieden in ihrem Kinderwagen und schaut sich neugierig um, während sie an Emils einzigem Ohr lutscht.
»Wozu in aller Welt brauchst du denn so einen Riesenrucksack?«
»Ich suche nach alten Stoffen oder Klamotten, aus denen ich etwas Neues machen kann. Außerdem habe ich immer mein Skizzenbuch dabei. Bist du auch manchmal auf den Flohmarkt?«
Diego hebt die Hände. »Wir gehen hier ab und zu Streife. Oft mischen sich Hehler unter die Händler und verkaufen dort ihre Ware. Aber privat, nein, das ist mein erstes Mal mit dir.« Er grinst in sich hinein. »Ich mag eigentlich nichts aus zweiter Hand, ich bevorzuge neue unbenutzte Sachen.«
»Dann sammelst du auch nichts?«
Er schüttelt seine dunklen Haare. Sie sind üppig, etwas struppig und wirken immer ungekämmt, das Gegenteil von beamtenhaft. Dann legt er seine Hand neben meine auf die Stange des Kinderwagens. Mein Herz fängt an, stärker zu klopfen, weil ich den Augenblick herbeisehne, an dem er seine Hand auf meine legt.
»Hör mir bloß damit auf. Sammeln ist doch nur etwas für Alte, Kranke und sozial Gestörte. Wer braucht schon zweitausend Eulen oder Bierdeckel aus aller Welt?«
Da passiert es, seine Hand berührt meine. Verrückt, was das mit mir macht, es fühlt sich an, als würde der Kinderwagen unter Strom stehen. Es fällt mir sehr schwer, mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Wo waren wir? Eulen? Es ging ums Sammeln.
»Ich kenne viele Leute, die etwas sammeln. Schallplatten, Frösche, alte Fotoapparate, Karten… Hast du auch als kleiner Junge nichts gesammelt?«
»Nein, nie.«
»Nicht mal Paninibildchen von der WM?«
»Nichts. Ich hatte nie Geld für so was.« Er nimmt seine Hand wieder weg. Mist! Er ist genervt. Ich muss das Thema wechseln. »Dann hast du bestimmt Geschwister?«, frage ich, weil mir nichts anderes einfällt und mir das logisch erscheint, denn wir hatten auch nie viel Geld bei drei Kindern.
Er bleibt stehen. »Müssen wir ständig über mich reden?«, fragt er gereizt und fügt dann in einem versöhnlicheren Tonfall hinzu. »Warum ist Ida eigentlich mit uns unterwegs? Was ist mit ihren Eltern?« Er geht weiter und legt dazu seine Hand wieder neben meine auf die Schiebestange des Kinderwagens.
Erleichtert setze ich mich auch in Bewegung.
»Heute sind sie zu
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