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Der Symmetrielehrer

Der Symmetrielehrer

Titel: Der Symmetrielehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Bitow
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unterschrieben, womit sich einverstanden erklärt? Bestimmt mit dem Besuch ebendes Reporters … Worüber also wundert er sich jetzt?
    Und wieder feixte er vor diesen trägen Impulsen der früheren Einbildungskraft. Sowas aber auch, von Schlaflosigkeit geplagt, hatte er sich sogar vorgestellt, ein Drücken des Knopfes würde das Ende der Welt auslösen und gerade ihm wolle jemand (ebender böse Geist) dafür Veranwortung und Schuld aufhalsen.
     
    Aus irgendeinem Grund kam ihm der dicke asiatische Junge aus dem Zug in den Sinn, der verwirrt aus der Toilette getreten war. »Wissen Sie vielleicht, wie man da spült?« – »Drück auf den Knopf.« Das gutmütige Lächeln von damals huschte über sein Gesicht, als ihm das in den Sinn kam. »Darfst dich bloß nicht erschrecken«, hatte er zu dem Jungen noch gesagt.
Der Knopf sah exakt genauso aus. Beim Spülen gab es ein furchterregendes Geräusch.
     
    Sie haben Regeln, ich habe Gewohnheiten. Meine Gewohnheiten sind weniger aggressiv als ihre Regeln. Ich bin, und ich stehe niemandem im Weg. Mir reichen die Zehn Gebote, um Erfahrung zu sammeln mit der eigenen Unvollkommenheit, der eigenen Ruchlosigkeit. Ihnen reichen die Regeln, um immer recht zu haben und an nichts zu zweifeln, nicht einmal am eigenen Glauben. In die Kirche zu gehen ist einfacher als zu glauben. Sich unterzuordnen ist einfacher als den Zehn Geboten zu folgen. Ich könnte es mir jetzt erlauben, in eine Luxuswohnung umzuziehen, aber mir passt mein Starenkasten, denn hier brauche ich nicht aufzuräumen, kann lange schlafen und rauchen. Sowieso würde niemand in diesem Hotelzimmer übernachten wollen, ohne allen Komfort und mit dem Lärm vom Maschinenraum des Aufzugs nebendran. Womit habe ich ihr Gesellschaftskomplott verletzt, dass sie mich nun zu diesem Knopf verurteilen?
    Warum ist dieser Knopf zu ihm verlegt worden, wenn er gerufen werden soll?
    Mal angenommen, er stünde für den Chef auf Abruf bereit. Obwohl Urbino schon im Ruhestand war und nur sonntags arbeitete. Dafür, dass sie ihm diesen Starenkasten überließen. Im übrigen schmeichelte es dem Chef, dass der Nachfahre eines vornehmen Geschlechts bei ihm Aufzugführer war. Dann also eine Klingel.
    Und falls der Knopf einfach dazu da ist, das Licht an- und auszuschalten, ohne vom Bett aufzustehen? Woher solche Fürsorge? Obwohl, der Chef war ungewöhnlich entgegenkommend, seit das mit dem Preis verkündet worden war. Schon sonderbare Geschöpfe, diese Menschen!
    Wenn das einfach ein Schalter ist, versuch ich es jetzt mal … aber die Hand fürchtete sich.
    Und auf welche Weise hängt der Einbau des Knopfs mit dem Besuch des Reporters zusammen?
    Allerdings, wenn das nicht das Ende der Welt ist und auch
kein Schalter, ist es dann nicht sein eigenes Ende? Eine reichlich sonderbare Methode der Selbstbeseitigung wäre ihm da angeboten worden – und von wem?
    Der Himmel sah heute blau aus. Einem Lächeln gleich.
    Und Engel fliegen unterm Himmelszelt, // Ein strenger Sinn herrscht nach wie vor hienieden. // Beurteilt selbst, was euch auf Erden hält, // Bis Blitzeshelle euch im Kopf beschieden, // Wenn das erst eintritt … Nulla dies sine … // Pfui, du Graphoman …
    Und falls Draufdrücken kein Ende, sondern ein Anfang ist? Einfach der Ausweg aus diesem Sarg?
    Vor dem Ende muss man sich rasieren und ein frisches Hemd anziehen. Ein Hemd hatte er noch, es war sogar vergilbt und vertrocknet wie ein Briefkuvert. Und der Rasierer? Der war ihm besonders lieb und wert, auch als er sich noch nicht rasierte, als Erinnerung an den Vater – eine erste »Gillette«, der Nickel abgewetzt, die Bronze schaute vor, durch die Klinge konnte man pfeifen wie mit einer Trillerpfeife.
    Er hatte ihn schon gestern nicht finden können – wer hatte ihn gestohlen? Bestimmt hatten die Handwerker ihn mitgehen lassen. Als Werkzeugfans … Und falls der Reporter?!
    Wozu braucht der den Rasierer?? Als Souvenir? Bin ich vielleicht Joyce? Dieser aufgeblasene, unlesbare Ire ging Urbino besonders auf die Nerven. Ja, ja! Joyce hatte den Rasierer gestohlen! Das letzte, was ihm geblieben war … warum müssen sie einem das letzte nehmen?? Wie gut die Diebe früher waren! Nahmen nur Geld, und auch das nur, weil er es schlecht versteckt hatte. Urbino erinnerte sich mit besonderer Wärme an seinen persönlichen Dieb, den Hofdieb – wie es ihm wohl ging? war sicher reich geworden?
    Joyce … Nicht gestohlen hat er mir bloß den letzten Roman, »Das Verschwinden der

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