Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
gehst, wirst du sie nie wiedersehen, und ich lasse nicht zu, dass du diese Schuldgefühle, diesen Schmerz mit dir herumträgst. Ich wäre wütend gewesen, ich hätte geschrien, ich hätte gestritten. Aber ich wäre geblieben, wenn er es verlangt hätte. Hat er aber nicht. Jetzt weiß ich, wieso.
Aus mir ist ein Zyniker geworden, Julian.
Das hätte dir gefallen, als wir uns kennengelernt haben. Du warst selbst ziemlich zynisch, wenn ich meinem Tagebuch glauben darf. Aber ich glaube nicht, dass du es noch bist. Jetzt wärst du wahrscheinlich enttäuscht von mir. Aber ich kann es nicht ändern. So bin ich nun mal.
Erstaunlich. Dieser Brief ist seitenlang, und ich habe noch kaum ein Wort über die UFOs verloren.
Ich habe den Glauben nicht aufgegeben. UFOs sind real. Das weiß ich so genau, wie ich weiß, dass du real bist, dass Rochelle real ist, dass die drei Männer real sind. Ich glaube nur nicht mehr daran – wie soll ich es ausdrücken? –, dass sie erreichbar sind. Sie sind im Himmel. Ich bin auf der Erde. Früher dachte ich, wenn ich über sie forschte, den Sichtungen nachging, herausfand, wie sie fliegen, wäre ich im siebten Himmel. Letzten Sommer war ich dann im siebten Himmel,
in gewisser Weise. Ich flog tatsächlich nach Israel und zurück. Doch dann bin ich abgestürzt. Ich versuche noch immer, mich aus den Trümmern zu befreien.
Vielleicht funktionieren die UFOs für dich. Für mich nicht mehr. Ich muss eine andere Möglichkeit finden.
Vor ein paar Tagen hatte ich einen sonderbaren Traum. Ich trage ihn noch immer mit mir herum. Ich kriege ihn nicht aus dem Kopf. Vielleicht schreibe ich dir deshalb jetzt, nachdem ich es so lange vor mir hergeschoben habe.
Es war am Abend des 17. August. Das war auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod meiner Mutter, auch wenn ich erst zwei Wochen später herausgefunden hatte, dass sie tot war. Die drei Männer in Schwarz waren in dem Traum – drohten mir, warnten mich. Sagten immer wieder: Nebel, dein Name ist UFO!
Ihre Gesichter waren mit schwarzer Seide verhüllt. Keine Spur von Augen, Nase oder Mund darunter. Noch im Traum wurde mir bewusst, dass sie schon tot sein mussten. Es war einer der furchterregendsten Träume, den ich je hatte, aber ich fürchtete mich nicht. Nicht damals und später auch nicht.
Ich glaube, wenn wir den Himmel beobachten, blicken wir in die falsche Richtung. Das eigentliche Geheimnis ist hier, mitten unter uns. Es ist das Geheimnis von Jungen und Mädchen, aus denen Männer und Frauen werden, ob sie es wollen oder nicht, und manchmal heiraten sie not at all, at all – wie in dem albernen alten Lied, das Rosa und ich uns gegenseitig vorgesungen haben. Aber für gewöhnlich heiraten sie doch, manchmal den richtigen Menschen, meistens allerdings den falschen.
Dann werden sie krank. Dann sterben sie. Und wir anderen leben weiter, weil wir es müssen.
Was meinst du, Julian? Soll ich meine UFO-Bücher mit ins College nehmen? Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich es mir anders überlege und feststelle, dass ich noch genügend Energie für die UFO-Forschung übrig habe, wenn ich nicht lerne oder Referate schreibe oder – zum Teufel, wieso nicht? – versuche, ein Mädchen zu finden, das mit mir ausgeht?
Nein. Ich werde sie nicht mitnehmen. Aber ich werde sie auch nicht wegwerfen, wie mein Vater es gern hätte. Sie bleiben hier in meinem Zimmer, auf dem Regal über dem Bett, in dem ich seit meinem fünften Lebensjahr schlafe, als wir in dieses Haus gezogen sind. Es sind plumpe Bücher, die meisten sogar lächerlich. Aber sie sind ein Teil von mir. Ich werde sie nicht verleugnen.
Du bist auch ein Teil von mir, Julian. Deshalb schreibe ich dir jetzt, bevor ich mich auf den Weg ins College mache und ein anderer Mensch werde, jemand, den ich mir kaum vorstellen kann.
Ich kenne deine Adresse nicht, also weiß ich nicht, wie ich dir diesen Brief schicken soll. Vielleicht einfach an Sgt. Yehoshua Margaliot, Israelische Armee, Israel. So ähnlich wie Weihnachtsmann, Nordpol, findest du nicht? Und doch scheinen die Brief dort immer anzukommen.
Ich glaube, dieser wird es auch.
Mach’s gut, Julian. Pass auf dich auf. Schreib mir bald.
Wenn du meine alte Freundin Rachel siehst, sag ihr, ich lasse sie grüßen.
Dein Freund
Dan
KAPITEL 46
14. September 1967
Lieber Dan,
oder »Mr Shapiro«, wie ich dich im Stillen nenne. Keine Angst, ich gebe mir Mühe, nicht Danny zu schreiben.
Du hättest dir keine Gedanken darum machen
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