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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Halperin
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der zu leben ich verdammt bin.
    Ich muss nur einen Schritt zur Seite tun.
    Eine Sekunde bloß – dann wäre alles vorbei.
    Wenn mich jemand hören könnte, würde ich schreien. Ich höre das Kreischen der Bremsen. Ich fühle meine Knochen splittern, mein Kopf platzt wie ein Ei. Ich renne zu einem Drahtzaun neben der Straße und halte mich mit beiden Händen daran fest. Ich darf diese kalten Drähte nicht loslassen. Ich will am Leben bleiben.
    Bald geht die Sonne unter. Ich kann nicht die ganze Nacht hier verbringen.
    Ich lasse den Zaun los. Langsam und vorsichtig laufe ich zurück, wie ein alter Mann, der eine endlose Eisdecke überquert. Ich versuche, die Autos nicht zu hören.

KAPITEL 44
    Jahrhunderte steckte ich auf diesem Pfahl. Mein Fleisch schloss sich darum, formierte und reformierte sich am splitternden Holz. In all den Jahrhunderten erinnerte ich mich der Qualen meiner Pfählung.

    Mein Bauch, meine Därme, meine Eingeweide befreiten sich vom Holz, das sie durchbohrte. Doch wie konnte ich mich davon lösen? Es war unmöglich, unbeweglich, wie ich war. Die Muskeln wurden matt und schlaff. Das Gewebe wehrte sich gegen seinen stillen Peiniger. Im Schmerz verschmolzen sie. Und so hing ich da, schreiend manchmal, doch meist schweigend, während die dunklen Flammen auf den flachen Hügeln um mich flackerten und die Jahre still vergingen.
     
    Irgendwo über mir mochte ein Verbannter durch die schwere, ölige Asche stapfen. Wie ich mochte er sich fragen, von welchem Brand sie stammen mochte. Jetzt weiß ich es. Sie ist ich. Mein eigenes, brennendes Fleisch.
    Seit ewigen Zeiten hatten die Dero ihre Höllen in der Unterwelt, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Christen auf der Erdoberfläche liegen nicht ganz falsch mit ihrer Vorstellung von der Hölle, nur dass man nicht stirbt, um dorthin zu gelangen, sondern dass man sich wünscht, der Tod möge einen erlösen, wenn man dorthin kommt. Schon immer gab es Höllen auf der Erde, und das ist eine davon.
    Die Alten Götter – Gott – die Dero. Es ist alles dasselbe.
     
    Die drei Männer treffen ein, um sich um mich zu kümmern. Sie kommen vom Bad in einem See der Fäulnis, wie der eine, den ich kenne. Er färbt sie unnatürlich braun. Außerdem macht er, dass sie ewig leben.
    Erst fürchtete ich, sie seien gekommen, um mir weitere Wunden beizubringen, zusätzlich zu meinen Qualen auf dem Pfahl. Das war ohne Zweifel ihre Aufgabe. Doch nach so vielen Jahrtausenden langweilte sie die Folter. Stattdessen versammelten sie sich um den Pfahl, zündeten sich Zigaretten an und blickten auf die schwelenden Hügel. Dann boten sie mir
ihre Zigaretten an. Da ich sie mit meinen Armstümpfen nicht nehmen konnte, steckten sie mir die Zigaretten in den Mund und halfen mir zu rauchen.
    Seit Stunden stehen sie bei mir. Ich glaube, sie freuen sich über meine Gesellschaft, nach der langen Einsamkeit. Gemeinsam schauen wir über die dunklen, schwelenden Hügel und das verqualmte Tal hinaus, und weil ich auf dem Pfahl feststecke und nur in eine Richtung blicken kann, blicken sie in dieselbe Richtung wie ich.
     
    Hätte man mich gerichtet, wüsste ich, warum ich an diesen Ort verbannt wurde. Ich könnte begreifen, wieso ich diese Qualen verdiene. Doch es gab kein Gericht. Gibt es nie.
    Manchmal jedoch scheint sich die qualmende Finsternis über mir zu teilen. Dann glaube ich, dass ich dort einen Ort im Himmel sehen kann, so nah, dass man fast von dort herabflattern könnte, um neben mir zu landen.
    Dort ist mein kleines Mädchen.
    Sie sitzt auf dem Schoß eines graubärtigen Mannes, den ich noch nie gesehen habe, nur auf Bildern. Es ist Asher, der Vater meines Großvaters. Der Rabbi, der Heilige. Er hält meinem kleinen Mädchen zärtlich ein Glas kaltes Wasser an die Lippen und lässt es trinken.
    Sie scheint glücklich zu sein.
    Ich merke: Sie bekommt Wasser, weil sie ein braves Mädchen war, seine kleine Enkelin. Und mich überlässt man meinem brennenden Durst, weil ich sie am Leben hätte halten sollen und sie habe umkommen lassen. Ich sollte für sie da sein und ließ sie einsam sterben. Ich habe sie auf dem Gewissen.
    Sie lächelt zu mir herab, sehr liebevoll, und ich weiß, dass mir vergeben wird.

    Also schreie ich und sage: Urgroßvater Asher, sei mir gnädig und schicke dieses kleine Mädchen, auf dass sie ihren Finger in das Wasser tunkt und meine Zunge kühlt, denn ich leide Qualen.
    Doch er schüttelt nur den Kopf. Dann erinnere ich mich, dass ich das

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