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Der Tag an dem die Sonne verschwand

Titel: Der Tag an dem die Sonne verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Domian
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eine Fiebererkrankung habe nichts mit den Haarwurzeln zu tun. Ich weiß es nicht. Aber mir tat damals meine Kopfhaut weh – und jetzt wieder. Finn ist nach wie vor vollkommen gesund. Wie gut! Wenn er jetzt auch noch krank wäre oder würde …
     
    Hatte gerade einen heftigen Hustenanfall mit Eiterauswurf. Konnte nicht weiterschreiben. Ich zittere noch am ganzen Körper. Hatte Angst zu ersticken.
    Fieber jetzt 40 Grad! Finn sagt, es müsse etwas geschehen, und zwar noch heute, und das ganz schnell! Er schlägt vor, alleine das Haus zu verlassen, um in der nächsten Apotheke nach einem anderen Antibiotikum zu suchen.
    Ja, das wäre sicher richtig. Und bestimmt gibt es dort auch die gesuchten Pillen, aber – ich kann es gar nicht recht ausdrücken – es wäre das erste Mal seit über vier Monaten, dass wir uns trennten. Dann wäre er alleine dort draußen, in der Unwirtlichkeit – und ich alleine hier in meiner Wohnung, so wie früher. Eine beängstigende Vorstellung, finde ich. Auch Finn ist mulmig zumute. Aber er sagt, es müsse sein, denn wenn ich eine Lungenentzündung bekäme …
    »Soll ich zugucken, wie du stirbst? Nein, nein, ich werde in spätestens einer Stunde wieder zurück sein, wenn nicht früher. Ich werde mich jetzt anziehen und losgehen. Vielleicht fühlst du dich durch das neue Medikament schon morgen oder übermorgen besser. Das müssen wir jetzt so entscheiden! Wir haben keine andere Wahl!«
    Also gut. Es stimmt ja, was er sagt. Ich würde umgekehrt genauso darauf bestehen und losziehen.
    Er ist schon im Flur und macht sich gehfertig.
     
    Zehn Minuten später. Finn hat gerade die Wohnung verlassen. Ich kann seine Schritte noch im Treppenhaus hören. Aber sie werden immer leiser. Wie seltsam, hier in dieser Wohnung ohne ihn zu sein. Sie ist ja zu unserer Wohnung geworden.
    Es wird schon alles gut werden. Vielleicht findet er ja das für mich richtige Medikament und schon bald können wir wieder lachen, uns gegenseitig vorlesen und gemeinsam singen. Hoffentlich kommt er im Schnee zügig voran. Ich könnte momentan nicht nach draußen gehen, dazu fehlt mir die Kraft. Schon den Weg zu unserem Toiletten-Balkon schaffe ich kaum. Ich glaube, ich lege mich jetzt ins Bett und versuche ein wenig zu schlafen. Dann verstreicht die Zeit schneller. Er wird sicher bald wieder hier sein.
     
    Nach etwa einer Stunde. 16.15 Uhr. Bin gerade völlig durchnässt aufgewacht, aufgeschreckt. Hatte wieder Alpträume. Finn ist noch nicht zurück. Eigentlich müsste er schon wieder da sein. Vielleicht hat er in der Apotheke um die Ecke nichts gefunden und ist dann weitergegangen – zur nächsten. Aber weit ist es bis dorthin auch nicht. Jede Apotheke verfügt doch bestimmt über eine reichliche Auswahl von Antibiotika. Ob er Angst hat, alleine durch die Straßen zu gehen?
    Wie leer und öde diese Wohnung hier ohne ihn ist.
    Ich will ein wenig in alten Illustrierten blättern. Ach nein, ich werde für Finn Schokoladenpudding kochen. Das schaffe ich schon. Und er freut sich dann, wenn er zurück ist. Er mag Schokoladenpudding so gerne.
     
    16.50 Uhr. Er ist immer noch nicht da!
    Das kann eigentlich gar nicht sein.
    Hat er sich verlaufen? Nein, unmöglich!
    Hat er in den ersten beiden Apotheken nichts gefunden? Kaum zu glauben! Ist ihm etwas passiert? Wenn ja – was?
    Nein! Er ist sicher noch woanders hingegangen. Vielleicht will er mich überraschen und bringt mir ein Geschenk mit. Irgendetwas Ausgefallenes, was nicht so leicht zu finden ist. Oder er sucht nach einer kulinarischen Köstlichkeit, um meinen Appetit wieder in Schwung zu bringen. Ja, vielleicht kommt er sogar mit einem ganzen Sack Kaviar zurück. Er will mir eine Freude machen und deshalb dauert sein Ausflug eben etwas länger.
    So wird es sein.
     
    17.30 Uhr. Er kommt nicht nach Hause! Mein Gott! Ich bin so oft schon ans Fenster gelaufen und habe nach unten auf die Straße geschaut. Wann ist er losgegangen? Ungefähr um 15.15 Uhr. Das heißt, er ist jetzt über zwei Stunden weg. Er müsste längst wieder hier sein, auch wenn er noch in einem anderen Geschäft war. Selbst der Kaviar-Laden liegt doch gar nicht so weit entfernt.
    Ist ihm etwas zugestoßen? Vielleicht hatte er einen Unfall? Ja, das könnte doch sein. Er hat sich das Bein gebrochen – oder gar beide Beine und liegt irgendwo hilflos in der Kälte. Oder aber von einem Dach herabstürzende Schneemassen haben ihn verletzt oder verschüttet. Oder er hat sich versehentlich selbst irgendwo in einem

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