Der Tag an dem die Sonne verschwand
Gebäude eingeschlossen und kommt nicht mehr hinaus. Ich weiß es nicht. Was soll ich tun?
18.10 Uhr. Es muss etwas passiert sein! Es gibt keine andere Erklärung für sein Fortbleiben. Davon bin ich jetzt hundertprozentig überzeugt.
Vor drei Stunden hat er das Haus verlassen. Drei Stunden ist er nun schon unterwegs! Was auch immer er vorhatte, so lange hätte er niemals dafür gebraucht.
Es muss etwas sehr Schlimmes passiert sein.
Hätte ich ihn doch bloß nicht gehen lassen! Oder wäre ich nur mitgekommen – trotz Fieber und körperlicher Schwäche! Er braucht meine Hilfe, da bin ich mir sicher – und unter Umständen braucht er sie schon lange. Möglicherweise ist ihm bereits unmittelbar nach Verlassen des Hauses irgendetwas zugestoßen. Und seitdem wartet er auf mich, hofft, dass ich komme, hofft, dass ich ihn suche und rette.
Ich habe etwas über 40 Grad Fieber. Aber das ist jetzt egal. Ich muss nach draußen gehen. Ich muss. Da gibt es gar nichts zu überlegen. Ich darf keine Minute mehr länger zögern. Ich werde mich jetzt sofort ganz dick anziehen und das Haus verlassen.
Über drei Stunden später. 21.25 Uhr.
Mein Gott! Mein Gott! Ich habe ihn nicht gefunden. Ich bin gerade zurückgekommen. Ich war erfolglos.
Alles ist mysteriös. Seine Fußspuren verlieren sich in der von hier aus gesehen ersten Apotheke! Ich habe keinen Zweifel. Wäre er aus der Apotheke wieder herausgekommen, er hätte erneut Spuren hinterlassen. Ganz sicher! Und sie wären unübersehbar gewesen. Hinter der Ladentheke der Apotheke habe ich die letzten Schneereste von seinen Schuhen entdeckt. Dort enden also seine Spuren? Hinter der Ladentheke?! Wie ist das möglich? Was ist bloß geschehen?
Finn, mein Freund, mein guter Freund, wo bist du? Was ist dir passiert?
Das kann doch alles gar nicht sein! Noch vor kurzem waren wir so unbeschwert, so fröhlich. Und jetzt? Das Fieber verbrennt mich von innen, und ich habe starken Schüttelfrost, und mein Herz rast. Ich bin kaum noch die Treppen herauf in die Wohnung gekommen, so erschöpft fühle ich mich.
Was soll ich jetzt nur tun? Wenn ich ein weiteres Mal hinausgehe, breche ich im Schnee zusammen. Ich wüsste auch gar nicht, wohin ich gehen sollte. Das Apothekenhaus habe ich mehrfach durchsucht. Es besteht nur aus dem Laden im Erdgeschoss, einer darüber befindlichen Wohnung und dem Keller. Alle Räume waren frei zugänglich. Ich habe in jeden Schrank geschaut, unter jedes Bett, jedes Sofa, jeden Tisch. Selbst im Keller war ich in jeder Ecke, sogar einen verschlossenen Verschlag unter der Treppe habe ich eingetreten. Aber: nichts! Danach bin ich weiter durch die Straße gelaufen, zur nächsten Apotheke, obwohl keine Spuren von Finn dorthin führten. Eine vergebliche Mühe. Auch in den Nebenstraßen konnte ich nichts entdecken. Hundert Mal habe ich seinen Namen gerufen, geschrien, in alle Richtungen – bis mir die Stimme versagte. Aber es kam keine Antwort. Nichts.
Wie kann das nur sein?
Finn, wo bist du? Was ist in dem Apothekenhaus geschehen? Ob ich doch noch mal dorthin gehe? Aber ich werde es nicht schaffen. Es hätte auch wirklich keinen Sinn.
Finn …
Ich muss ins Bett, ein paar Stunden schlafen. Wenn möglich, etwas Kraft schöpfen. Ich kann nicht mehr. Mir wird immer wieder schwarz vor Augen. Ich habe Angst, dass mich das Fieber tötet.
Wie unbegreiflich alles ist.
Finn, lass mich nicht alleine! Mein Freund! Komm wieder! Bitte!
Mindestens dreißig Stunden später. 4.00 Uhr in der Frühe. Ich weiß nicht, was los ist. Ich muss ein paar Zeilen schreiben, um zu mir zu kommen.
Das Fieber ist weg, und meine Körpertemperatur völlig normal! Als wäre ich gesund!
Wie lange habe ich geschlafen?
Ich kann es nicht genau sagen. Mindestens dreißig Stunden, vielleicht sogar mehrere Tage. Fünfzehn bis zwanzig Stunden bleibt der Ofen warm. Das weiß ich. Und ich hatte vor dem Zubettgehen noch eine große Menge Briketts hineingeworfen. Mit letzter Kraft. Beim Aufwachen gerade aber war er eiskalt. Also ist sehr viel Zeit vergangen.
Ich fühle mich wesentlich besser! Hals- und Kopfschmerzen sind auch fast verschwunden! Habe ich mich gesund geschlafen? Es sieht wohl so aus. Ich bin über den Berg. Aber – wo ist Finn? War ich wirklich mit über 40 Grad Fieber draußen und habe nach ihm gesucht? In einer Apotheke? Ja, so war es! Oder?
Finn!
Er wollte mir ein neues Medikament holen, ist für mich in die nächste Apotheke gegangen. Ich habe lange gewartet. Und dann
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