Der Tag an dem ich cool wurde
Stück vom Rosenstiel. Aber es hat gereicht, um Mama richtig in Fahrt zu bringen.
»Du hast es mir versprochen«, hat sie losgekeift. »Versprochen hast du es mir! Zum fünfzehnten Hochzeitstag wolltest du das Tattoo wegmachen lassen!«
»Jau«, sagte Papa, »aber der ist doch erst am achten«, und dann pfiff er eine fröhliche Melodie.
Mama sah aus, als ob sie ihm gleich an die Gurgel springen wollte.
»Ach ja?«, sagte sie und jetzt wurde aus dem Zucker auf den Worten Pfeffer.
»Sind doch noch fast vier Wochen«, sagte Papa erstaunt, denn den Pfeffer hatte er jetzt bemerkt.
»Meinst du? Ja?« Mama spuckte die Worte aus wie eine versehentlich angebissene Chilischote.
Opa kicherte. Mama warf ihm einen Chiliblick zu.
»Halt du dich da raus«, fauchte sie.
Opa biss sich auf die Lippen, aber ich sah genau, wie seine Augen lachten.
Das hat Mama aber nicht mehr gesehen, weil sie jetzt wieder Papa anguckte, und mit dem, was sie als Nächstes sagte, feuerte sie ihm eine ganze Dose Chilipulver entgegen. Sie brüllte nämlich: »JA, am achten JUNI!«
Sie atmete laut und Opa hustete und schnaubte und eine Lachträne rutschte seine Wangenfalten entlang.
Karli guckte von Mama zu Papa und zu mir und wieder zurück. Dann guckten wir alle, Karli, Opa, Mama und ich, zu Papa.
»Juni«, sagte Papa. »Ja.« Und er sah sehr ratlos aus.
Opa holte seinen Stock hervor, den er immer an die Stuhllehne hängt, und zeigte damit auf den Kalender hinter Papa. Papa drehte sich um. Da steckte ein dicker roter Plastikrahmen auf dem Tag heute, so einer, den man verschieben kann, und der rahmte ein:
Freitag, 8. Juni
Papa sah noch ratloser aus als vor einer Minute. Karli hatte es schon kapiert. Opa sowieso.
»Ich mach mir gleich in die Hose«, japste er, klopfte sich auf die Schenkel und lachte so, dass ihm ein Petersilienstängel aus dem Mund flog.
Ich hatte es auch gecheckt, nur Papa nicht, und das gab Mama den Rest.
»HEUTE!«, brüllte sie und warf ihre Gabel auf den Tisch. »Unser Hochzeitstag ist HEUTE!«
Papa schluckte. »Das...«, sagte er, »das hab ich... also...«, und dann sagte er gar nichts mehr.
Mama war aber noch nicht fertig.
»Ich«, sagte sie, und jetzt klang sie ganz ruhig, »werde jedenfalls nicht mehr mit Rosi in einem Bett schlafen. Endgültig nicht. Ich ziehe zu Renate!«
Renate ist Mamas Schwester.
Dann stand sie auf.
»A... aber...«, stotterte Papa hilflos.
»Feigling«, fauchte Mama. »Fünfzehn Jahre — fünfzehn! — hab ich Geduld gehabt, aber jetzt ist Schluss! Ich komme wieder, wenn Rosi weg ist!«
Und dann stürmte sie aus dem Esszimmer. Papa wollte aufstehen, aber Opa hielt ihn am Arm fest. (Er grinste immer noch.)
»Lass mal, Eric«, sagte er. »Das hat jetzt keinen Zweck.«
»Aber, Susanne...«, wollte Papa wieder anfangen.
Opa tätschelte Papa. »Lass sie mal zu Renate gehen und sich austoben und herumwüten. Weiberschnacken, das braucht sie jetzt. Sie kommt zurück, jede Wette!«
Papa wies stumm auf Rosi und das Herz und die Rosi-Rosen.
»Och«, sagte Opa vergnügt. »Das wirst du doch hinbekommen.« Er hängte seinen Stock zurück und begann zu essen. Draußen hörte man die Haustür zuschlagen.
Mama war fort.
Man könnte also meinen, es wäre genug geschehen in den letzten Wochen. Wenn das aber alles gewesen wäre, würde ich jetzt nicht wie ein Idiot in einer Plastikrutsche feststecken. Das ist das Ergebnis davon, was als Krönung des ganzen Übels geschah, und zwar genau elf Tage nach Mamas Auszug.
…3: Riesenärger
Mama machte Ernst und wohnte nun hei ihrer Schwester. Mittags kam sie zwar nach Hause, um für mich zu kochen (»Du kannst ja nichts dafür, dass dein Vater ein Feigling ist!«) — sobald es auf Papas Feierabendzeit zuging, machte sie sich aber schleunigst wieder auf den Weg zu Renate. Und wenn Essen übrig war, nahm sie es mit.
»Der soll gucken, wie er zurechtkommt«, sagte Mama. »Er kann ja Rosi darum bitten, ihm etwas zu kochen. Ich komme erst heim, wenn Rosi weg ist und er um Verzeihung winselt!«
Papa dachte aber nicht daran, sondern saß schlecht gelaunt zu Hause rum, wenn er von der Arbeit kam.
An jenem ganz gewöhnlichen Schultag hatte ich ohnehin schon keine Lust, zur Schule zu gehen. Karli war seit einer Woche krank, er lag mit einer Grippe im Bett, und ohne Karli war es richtig blöd in der Schule. Seine Mutter hatte die Praxis kurzerhand geschlossen und ein Schild an die Tür gehängt:
Aufgrund eines familiären Notfalls bleibt die
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