Der Tag an dem ich erwachte
Schließlich traute ich mich, ihn anzusprechen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich den Mut dazu fand, vermutlich lag es daran, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Oder daran, dass ich kaum noch Schmerzen spürte. Oder einfach nur daran, dass ich so unsagbar müde war…
„Töte mich endlich, Ryan!“, sagte ich und merkte, dass ich lispelte, was ich dem Verlust mehrerer Zähne verdankte. „Bitte, tu es!“ Er starrte mich entgeistert an, von dem Klang meiner S timme genauso schockiert wie ich.
„Dornröschen ist endlich aufgewacht!“, lächelte er sein teuflisches Lächeln. „Und äußer t Wünsche. Tja, Schätzchen, so leid es mir tut, stehen die keine Wünsche frei.“ Er lachte schallend, bevor er sich wieder in den anderen, reumütigen Ryan verwandelte. „Wie kannst du so etwas von mir verlangen, Holly?“, heulte er und drückte mir seine widerlichen Küsse auf den ausgetrockneten, wunden Mund. „Wie kannst du nur? Als ob ich dich je töten könnte… Du bist alles, was ich habe, alles, was ich liebe. Wenn ich dich töte, dann muss ich auch mich selbst töten, denn ohne dich hat mein Leben keinen Sinn!“
„Dann tue es, Ryan“, erwiderte ich ruhig. „Töte uns beide, damit wir beide endlich Frieden finden. Sieh uns doch an, Ryan! Sieh ganz genau hin. Ich bin nur noch ein blutiges Bündel Fleisch, und du… Du bist nur noch ein Häufchen Elend. Du bist kein Gott, Ryan! Du bist nicht wie er, du kannst es nicht. Du kannst es einfach nicht , Ryan, sieh es endlich ein! Du gehst daran zugrunde.“
„Schweig, Weib!“, schrie er mich an und trat mich in die Rippen.
„Lass los, Ryan“, sagte ich unbeteiligt. „Es tut nicht mehr weh. „Du hast mir bereits alles gebrochen und zerrissen. Ist es nicht endlich gut? Ich verliere so viel Blut, dass ich sowieso bald sterben werde. Du bist doch ein Arzt, also, schalte endlich deinen Verstand ein! Sei einmal in deinem erbärmlichen Leben ein richtiger Mann und beende, was du angefangen hast. Töte mich schnell!“
„Sei still, halt endlich dein Schandmaul!“, zischte er wie eine wütende Kobra. Und verschwand. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, bis er wieder zurückkam. Derweil verlor ich in regelmäßigen Abständen das Bewusstsein. Immer, wenn ich wieder zu mir kam, trank ich einen kleinen Schluck Wasser und fühlte mich eigenartig leicht. Als würde mein Geist über meinem sterbenden Körper schweben. So friedlich und glücklich… Ich danke dir, Ryan! Ich wusste, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde. Trotzdem schreckte ich hoch wie von der Tarante l gestochen, als er endlich hineinkam. Als ich sah, was er in der Hand hielt, lächelte ich dankbar und entspannte mich.
„Eine Pistole“, stellte ich erfreut und erleichtert fest. „Endlich, Ryan. Ich danke dir!“
„Nicht so hastig, Holly!“, erwiderte er streng. „Nicht, bevor ich dich zum letzten Mal geliebt habe.“
„Ryan, sieh mich doch an! Ich bin eine halbe Leiche. Lass gut sein, lass mich endlich gehen!“
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und wir fuhren beide erschrocken hoch . Ich sah… Ava. Und Alice. Und Mills, der mit einem Revolver auf Ryan zielte.
„Lassen Sie die Waffe fallen, Boyle!“, knurrte er bedrohlich, „oder ich schieße!“ Gleichzeitig zielte Ryan mit seiner Pistole auf ihn.
„Ava, lauf weg!“, schrie ich mit meiner letzten Kraft, „geh in Deckung! Er wird gleich schießen, er ist verrückt! Geht alle in Deckung!“ Sofort spürte ich die Pistole auf meiner Schläfe und empfand ihre Kühle beinahe als angenehm.
„Wo sie recht hat, hast sie r echt!“, sagte Ryan leise. „Oder soll ich lieber er sagen? Oder es? Wie auch immer, dieses Ding hier liegt mit seiner Vermutung richtig: Ich werde euch alle erschießen. Als erstes dich, Mills. Deine hässliche Visage war schon immer eine Beleidigung für mein ästhetisches Empfinden. Ich folge meine göttlichen Mission und befreie die Welt von dieser Hässlichkeit!“ Er zielte auf Mills’ Kopf, dabei lockerte er automatisch seinen Griff um meinen Körper. Mills feuerte gleichzeitig mit ihm ab und traf. Auch Ryan hatte getroffen. Mills heulte auf vor Schmerz und feuerte erneut.
„Erschieß ihn, Colin!“, rief Alice. Ich nahm dankbar wahr, dass sie Ava fest an sich drückte, zu Boden ging und sie mit ihrem Körper bedeckte. Das Gewicht von Ryans leblosem Körper ruhte auf mir, während sei n warmes Blut auf mich herunterlief. Ruhe im Frieden, Ryan, dachte ich apathisch, während ich in eine
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