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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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gute Freunde vermietet. Als sie mich dazu zwangen, mitzukommen und mir die Sauerei anzusehen, die dort veranstaltet wurde, habe ich mir gewünscht, bereits bei meiner Misses zu sein. Noch nie zuvor hatte ich so etwas Schlimmes gesehen! Der feine, ältere Herr, der die Yacht offiziell gemietet hatte, war mausetot. Seine Leiche war so schlimm zugerichtet, dass ich immer noch Alpträume davon habe. Zum Glück hat der Junior nichts davon mitbekommen“, sagte er mit einem flüchtigen Blick auf Billy, der genau in diesem Moment wie gebannt auf sein Handy starrte und ein idiotisches Lächeln im Gesicht hatte. „Er schläft noch tiefer als ich. Ich lese schon seit Jahren keine Zeitungen mehr, da steht doch sowieso nur Mist, lauter Dinge, die einem die Laune verderben. Aber Billy meinte, dass die Geschichte richtig bekannt wurde. Seitdem geht hier alles den Bach runter, es traut sich kaum noch jemand hierher. Sie sind meine ersten Kunden seit fünf Tagen.“ Nun fixierte er die Whiskeyflasche so sehnsüchtig mit seinem Blick, dass ich ihn nicht mehr leiden lassen wollte.
    „Pedro, wir lieber gehen jetzt, wo das Wetter noch schön!“, sagte ich, und „Pedro“ tätschelte meine Wange.
    „Wie lange möchten Sie auf der Yacht bleiben?“, fragte der Alte.
    „Nur paar Stunden, morgen wieder Arbeit, senior“, antwortete Ryan, und der Greis seufzte enttäuscht. Daraufhin zog „Pedro“ seinen Geldbeutel aus der Tasche seiner billigen Jacke heraus und warf großkotzig und voller Stolz mehrere Geldscheine auf den Tisch. „Sie ein guter, anständiger Mann, senior, deswegen ich zahle für ganze Tag!“
    „Ein Mann, ein Wort!“, strahlte der Alte über das ganze Gesicht. „Ein Mann von Ehre! Hast du gehört, Billy? Mister Gonzales zahlt für den ganzen Tag, obwohl er die Yacht nur für ein paar Stunden mieten will, ist es nicht fein von ihm?“ Derweil stand Billy am Fenster und machte ein Foto von sich mit seinem Handy. Anscheinend waren seine neue Flamme und er des Schreibens überdrüssig geworden und gingen zum Visuellen über. Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass seine Angebetete ihm ein besonders ansprechendes Bild von sich geschickt hatte. Als wir gingen, hielt der Alte die Whiskeyflasche bereits in der Hand.
    „Seien Sie vorsichtig, Mrs. und Mister Gonzales!“, rief er uns hinterher, „ich wünsche Ihnen einen schönen Hochzeitstag!“
    „Ich auch“, sagte Billy abwesend und salutierte in unsere Richtung.
    Endlich befanden wir uns auf der Yacht. Zwar nicht auf der Yacht, aber sie sah genauso aus wie die . Und verfügte über die gleiche Innenausstattung. Ich wischte meine Hände erneut an meiner schlabberigen Hose ab, während ich am ganzen Körper zitterte, als hätte ich Fieber. Ich hatte tatsächlich welches, stellte Ryan fest, als er seine Hand prüfend auf meine glühende Stirn legte. Er schien auf alles vorbereitet zu sein, denn er forderte eine Aspirin Tablette aus seinem Rucksack heraus und hielt sie mir zusammen mit einer vollen Flasche Wasser entgegen, die er vorher fürsorglich für mich öffnete. Ich schluckte die Tablette und trank fast die halbe Flasche aus. Als er den leichten Anflug von Panik in meinem Blick sah, beeilte er sich, mich zu beruhigen: „Wir haben genug Wasser, Holly, Liebling. Mein armer Schatz.“ Danach tat er sein Bestes, um die angespannte Stimmung aufzulockern: „Maria, amor, zeig deine Mann, dass du ihn nach dreißig Jahre Ehe noch liebst!“ Doch ich ging nicht darauf ein, und er schmollte enttäuscht: „Mensch, Holly, was bist du nur für ein Spielverderber! Wir wollten doch gemeinsam herausfinden, wie dicke Leute es miteinander treiben.“ Als ich immer noch schwieg, musterte er mich intensiv. „Du hast dich an etwas erinnert, nicht wahr?“
    Ich nickte nur und trank den Rest der Flasche aus, bevor ich meine eigene Stimme hörte, die sich von mir distanziert zu haben schien. Wie die Stimme einer Toten, die ich vermutlich auch war. Eine tote Seele in einem noch lebenden Körper, wie lange noch? „Ich erinnere mich an diese Yacht“, sagte die Stimme teilnahmslos und monoton. „Ich erinnere mich auch an den alten Mann und seinen Enkel, Bill oder Billy, wie sein Großvater ihn nennt.“
    „Ist es dein Ernst, Holly?“, fragte Ryan aufgeregt. „An was erinnerst du dich noch?“
    „An gar nichts“, erwiderte ich traurig. Ich plumpste schwerfällig auf den Boden und gab mich dem Rhythmus der Wellen hin. „Ich mag es, wie der Boden unter uns wackelt“, sagte

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