Der Tag an dem ich erwachte
Vergangenheit erlebt. Und dann, früher oder später, wirst du dich auf einmal an alles erinnern. Und wenn es soweit ist, Holly, dann werden wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.“
„Was ist, wenn ich mich daran erinnere, das Verbrechen begangen zu haben?“, fragte ich so leise, dass ich selbst meine Stimme kaum hörte und mich schon fragte, ob ich den letzten Satz nur gedacht hatte. Doch dann gab er mir eine Antwort, mit der ich nicht gerechnet hatte.
„Wenn du es getan hast, Holly, dann wirst du einen Grund dafür gehabt haben. Und ich werde mein vollstes Verständnis dafür aufbringen. Und dann werde ich mir eine Strategie überlegen, wie wir deine Unschuld beweisen können, auch, wenn du schuldig bist.“
Ich rang um Atem, meine Handinnenflächen schwitzten. Hatte er das tatsächlich gerade gesagt oder träumte ich?
„Du würdest für mich lügen?“, fragte ich ungläubig. Er sah mich mit einer derartigen Zärtlichkeit an, dass mir schon wieder die Tränen in die Augen schossen.
„Was würde ich nicht für dich tun?“, beantwortete er meine Frage mit einer Gegenfrage, die wie eine wunderschöne Musik in meinen Ohren klang.
„Was haben wir heute vor, Ryan?“ Es hörte sich beinahe an, als wären wir ein glückliches Paar in den Flitterwochen.
„Heute werden wir einen Ausflug ans Meer unternehmen“, erwiderte er ruhig, während meine Hände so nass wurden, dass ich sie an Ryans T-Shirt, das ich anhatte (ich liebte es, seine Sachen anzuziehen) abtrocknen musste.
„Du meinst, wir gehen auf die Yacht? Auf die Yacht, Ryan?“
„Ja, Holly. Wir werden sie mieten. Beziehungsweise eine ähnliche. Wenn du dich an dem Ort befindest, an dem du ein tiefes Trauma erlitten hattest, wirst du dich womöglich an etwas erinnern. Oder auch nicht. Wie auch immer, setz dich bitte nicht unter Druck, betrachte es als einen entspannten, angenehmen Ausflug. Entspannt und angenehm sind zwei Stichwörter, die für dich von Bedeutung sind. Sonst gar nichts. Aber bevor wir aufbrechen, müssen wir einige Vorbereitungen treffen.“ Er brachte die Tasche, in der sich die Perücken und die Masken befanden, und machte sich daran, mein Aussehen so zu verändern, dass ich von niemandem erkannt werden konnte. Er holte auch andere Gegenstände aus der Tasche heraus, seltsam aussehende Teile aus Silikon, die er an meinem Körper befestigte. Als ich in den Spiegel sah, entfuhr mir ein entsetzter Schrei: Ich erblickte eine korpulente Frau mittleren Alters mit einer langen, spitzen Nase, aufgedunsenen Wangen und teigiger Haut. Sie hatte schulterlange schwarze Haare, die fettig und ungepflegt aussahen. „Ein heißer Feger, nicht wahr?“, schmunzelte Ryan, sichtlich mit seiner Leistung zufrieden, bevor er sich der Veränderung seines eigenen Erscheinungsbildes widmete. Dabei ging er so routiniert vor, dass ich mich insgeheim fragte, aus welchem Grund er sich so gut damit auskannte. Wie gewohnt, hatte er sofort meine Gedanken gelesen.
„Ich arbeite eng mit der Polizei zusammen, mein kleines Dickerchen“, erklärte mir der ältere, untersetzte Südländer mit einem dunklen, schmalen Schnurrbart und einer Stirnglatze. „Da eignet man sich so etwas ein. Man beobachtet still und unauffällig und lernt dazu, wer weiß, wofür so ein Wissen gut sein kann? Und, wie du siehst, Moppelchen, lohnt es sich, aufmerksam zu beobachten. Er setzte eine altmodische Hornbrille auf und umarmte mich spielerisch. Wir schüttelten uns vor Lachen, als unsere falschen Bäuche aneinander rieben. „Wie treiben es dicke Leute miteinander?“, fragte er sich und wollte es unbedingt ausprobieren. Er stellte sich hinter mich und imitierte den Geschlechtsverkehr von hinten. „Spürst du irgendwas, Holly?“, fragte er neugierig.
„Nein“, kicherte ich, „höchstens die Spitze.“
„Dabei ist er eisenhart. Wow. Ich muss wirklich pervers sein, denn diese Situation erregt mich fast noch mehr, als dich in den heißesten Dessous zu sehen. Wie machen sie es nur?“, rätselte er weiter. „Es muss einen Weg geben, wie er in dich reinkommt. Lass es uns nachher ausprobieren!“
„Gut, einverstanden“, lachte ich amüsiert und rechnete es ihm hoch an, wie er sein Bestes tat, mich aufzulockern.
„Nun, lass uns endlich aufbrechen, Maria!“, sagte er mit einem schweren südländischen Akzent, „diese komische Boot warten auf uns!“
„Ach, Pedro, du immer so gut zu mir!“, passte ich mich seiner Sprache an, und er hob den Daumen hoch, um mir zu
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